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Essay IdentitätspolitikDas Wir-Gefühl

Warum es verhängnisvoll ist, soziale Fragen mit nationalen und antieuropäischen Wendungen zu verknüpfen. Über allerlei Identitäten.

Wer sind wir? Illustration: Eléonore Roedel

Kaum eine öffentliche Debatte kommt in letzter Zeit ohne die Bezugswörter „wir“ oder „uns“ aus. Unser Diesel, wir als offene Gesellschaft, unsere Heimat sowieso. Aber welches Wir meinen wir denn eigentlich im Jahr 2018, wenn wir WIR sagen?

Gehen wir es zunächst gemütlich an. Wir als Familie, als Gruppe, als Nachbarschaft, als Firma, als Mitglieder von Parteien, Gewerkschaften oder Kirchen, Wir als Demokraten, Wir als Deutsche, Wir als Europäer, Wir als Weltbürger, ein wohliges und kuscheliges Gefühl, so unter seinesgleichen zu sein.

Ein erstes Umkreisen macht deutlich, dass das WIR schon recht ungemütlich sein kann. Und eine echte Zumutung. Das demonstrative WIR stellt nämlich die Frage nach unserer Identität. Wer sind wir?

Viele Jahrzehnte haben wir gedacht, die Erfolgsgeschichte Deutschlands nach 45 und vor allem nach 89 sei als Begründung unseres Gemeinwesens überzeugend und attraktiv genug. Unsere Verfassung und ihre Auslegung, die emanzipatorischen Fortschritte, die starke Wirtschaft, die große Freiheit, die reiche Kultur.

Stefan Raue

ist Historiker und Journalist, war von 2011 bis 2016 trimedialer Chef­redakteur des MDR und ist seit 1. 9. Intendant von Deutschlandradio.

Dann kam das Jahr 2017. Zu seinen großen Zäsuren gehört das Geschehen in einem Dresdner Brauhaus im Januar. Der AfD-Politiker Björn ­Höcke hielt dort eine Rede und erhob selbstbewusst den Anspruch, für „unser liebes Volk“ zu sprechen: Das „einzige Volk der Welt, das sich ein Denkmal der Schande in das Herz seiner Hauptstadt gepflanzt hat“.

Nieder- und Untergangsfantasien

Björn Höcke ist im direkten Gespräch ein zurückhaltender, fast scheuer Mensch, gebildet, eher leise als laut, ein guter Zuhörer. In Dresden und anderswo nutzt er mit überschnappender Stimme das Vokabular oder, wie der Historiker Martin ­Sabrow es nennt, „das Argumentationsarsenal der NS-Kampfzeit“. Die „verrotteten Altparteien“, die „erbärmlichen Apparatschiks“ und ihre Pfründen, die eigene Partei als Bewegung, „die letzte friedliche Chance für unser Vaterland“, „die furchtbare Lage dieses Volkes“, die Forderung nach den „Neuen Menschen“, die sich für den Dienst für die Sache verzehren auf dem „langen und entbehrungsreichen Weg“.

Höcke hat eine Vorstellung vom WIR, die sehr konkret ist. Womöglich fiel der Startschuss für diese Form des Identitätsangebots für die Mitte der deutschen Gesellschaft schon 2010: mit der Kampfschrift des Sozialdemokraten – und Mitbürgers – Thilo Sarrazin, die bis heute eines der meistverkauften Bücher der letzten zehn Jahre ist.

2017 markierte das Ende dessen, was die Historikerin Cornelia Siebeck die nationale Läuterungserzählung genannt hat, ohne die kaum eine Rede zum Tag der Deutschen Einheit auskommt.

Sarrazin rührte mit großer Akribie Nieder- und Untergangsfantasien, Geburtenraten, Rassen, Fremdes und Bedrohliches zu einem Konvolut zusammen, das den zentralen Vorwurf „WIR sind fremd im eigenen Land“ zu rechtfertigen schien. Danach waren die Dämme gebrochen. Viele in der sogenannten gesellschaftlichen Mitte sahen sich befreit von den Zumutungen eines linksliberalen, antirassistischen und global orientierten und im Übrigen auch christlich beeinflussten Wertekanons.

2017 markierte das Ende dessen, was die Historikerin Cornelia Siebeck die „nationale Läuterungserzählung“ genannt hat, ohne die kaum eine Rede zum Tag der Deutschen Einheit auskommt. Mit Mühen und Rückschlägen in den 50er und 60er Jahren, mit Macht dann nach 1968: die Verarbeitung und Überwindung der NS-Vergangenheit, die Lehren aus der Geschichte, der „antitotalitäre Konsens“ und die „demokratische Erinnerungskultur“.

Sie sind mitten unter uns

Wir hatten gehofft, so wäre er unumkehrbar, der gesellschaftliche Fortschritt. Nie gab es mehr historisches Wissen über die Funktionsweise und die Bedingungen von totalitären, rassistischen, antisemitischen und letzten Endes gewalttätigen Bewegungen, Jahr für Jahr wurden neue Erkenntnisse und Forschungsergebnisse gesammelt, pu­bliziert, nie hatten wir bessere Möglichkeiten, uns zu informieren. Und dann das. Es glaube keiner, die AfD wäre trotz Höcke gewählt worden – von jedem Zehnten unserer Mitbürger. Sie wurde auch seinetwegen gewählt.

Während viele Dämme gebrochen sind, Anti­semitismus, Rassismus und totalitäre Ideen in den Parlamenten und bürgerlichen Diskursen unverhohlen präsent sind, glauben gerade wir Medien, aber auch Kirchen, Gewerkschaften und Parteien unverdrossen, dass unsere alten Entlarvungs­strategien noch Früchte tragen können. Dass wir die neue radikale Rechte noch zu Outlaws machen können, die nicht zum gemütlichen WIR gehören.

Spätestens das Wahlergebnis der AfD hat gezeigt: Sie sind mitten unter uns, sie gehören zu uns. Auch Mitbürger Höcke ist Teil des WIR. Wie sollten wir nun darauf reagieren?

Da ist einerseits die therapeutisch-volkspädagogische Fraktion, die in den Wählern und Sympathisanten bemitleidenswerte Opfer der widrigen Verhältnisse im Allgemeinen und von Angela Merkel im Besonderen sieht. Die Globalisierung, die Flüchtlinge, das Internet, die Geschwindigkeit des Wandels, die Säkularisierung, das alles macht Angst, sagt die These. Hinzu kommt das Gefühl der Verlorenheit, da kommen die rechten Rattenfänger mit ihren Identitätsangeboten gerade recht.

Doch warum greifen die, die sich entwurzelt, benachteiligt, zu kurz gekommen, überfordert und desillusioniert fühlen, ausgerechnet in die rechte Schublade? Was ist denn so attraktiv und vital und wegweisend am Mitbürger Gauland oder an der Mitbürgerin von Storch? Und was im Übrigen wäre in unserem Lande los, wer wären WIR, wenn die Wirtschaft in einer Krise, und Arbeitslosigkeit und Armut groß wären, wenn wir beispielsweise portugiesische oder spanische Verhältnisse hätten?

Die andere Fraktion ist die der liberalen Identitätspolitik, die vor allem der amerikanische Politologe Mark Lilla nach dem großen Trump-Schock so vehement kritisiert hat. Ein Staat, der nur für die Spielregeln zuständig ist, und eine liberale Bürgergesellschaft, die sich um die freie Entfaltung der einzelnen Identitäten bemüht. Die Identitäten der Hautfarben, Geschlechter, sexuellen Orientierungen; das WIR ist entweder in der Gruppe ähnlicher Ausrichtung zu suchen oder in einem gesamtgesellschaftlichen WIR, das vor allem als die Summe aller Einzelidentitäten betrachtet werden kann, allerhöchstens noch als gemeinsame Idee des Multikulturellen. Lillas Vorwurf, die narzisstische Fixierung auf die unterschiedlichen Identitäten habe weite Teile der Gesellschaft aus dem Fokus des politischen Diskurses gerückt und in dieses Vakuum sei ein Trump mit seinen Identitätsangeboten hineingestoßen, hat viel für sich.

Unabhängig davon, ob diese amerikanischen Debatten unsere Situation präzise treffen, ist die Frage nicht beantwortet, warum die legitime und gut gemeinte Klientelpolitik der demokratischen Parteien hierzulande vom Elterngeld bis zur ­Anerkennung gleichgeschlechtlicher Paare nicht als Ergebnis einer liberalen Fortschrittsidee- und ­-erzählung bewertet wird. Kurz: Warum begründen positive Veränderungen kein WIR?

Wahlen gewinnen, Minderheiten verteidigen

Es braucht eine neue bürgerliche Aneignung des Politischen. Das sollte zunächst das Verlassen der lieb gewordenen und bequemen Zuschauerposition sein. Die modische Verachtung der komplizierten und zähen Entscheidungsabläufe ist ein Luxus, den sich eine liberale Bürgergesellschaft nicht leisten kann. Die Rechte pflegt eine ähnliche Verachtung, bietet mit einer autoritären Lösung wie Putin eine Antwort. Lassen wir also das „Glotzen“ sein, es braucht konkretes Engagement im öffentlichen, auch im parteipolitischen Sinne, demokratischen Streit, Zuspitzung, Mehrheitsentscheidungen.

Letzteres beispielsweise auch mit Blick auf die Flüchtlinge. „Minderheitenschutz gibt es nur dort, wo Mehrheiten gezählt werden“, schreibt Christoph Möllers in seinem fulminanten Merkur-Essay „Wir, die Bürger(lichen)“. Um diese Mehrheiten für den Weg zu einer Gesellschaft, die Zuwanderung, Asylrecht und Schutz von Flüchtlingen respektiert und akzeptiert, zu schaffen, reicht es nicht, auf die Verfassung, das Verfassungsgericht oder die Erfahrungen der düsteren Vergangenheit zu verweisen. Mark Lilla setzt da noch einen drauf: „In der Demokratie besteht der einzige Weg, Minderheiten zu verteidigen, darin, Wahlen zu gewinnen.“

Wie halten wir es nun mit der nationalen Identität? Es ist wenig überraschend, festzustellen, dass wir derzeit kein charismatisches, aufregendes, bewegendes und mobilisierendes politisches Angebot im demokratischen Spektrum haben, das es mit den frivolen und tabulosen Verlockungen der radikalen Flügel aufnehmen kann. Wir sind geschockt, wir sind ideenlos, wir sind pragmatisch, wir sind uns selbst genug, wir sind das, was wir sind.

Nicht ohne Risiko

Den Kampf um unsere Identität über unsere Communities hinaus haben wir bisher vermieden, aus Ignoranz oder auch aus Ängstlichkeit. Wir haben uns aus Bequemlichkeit damit zufriedengegeben, die nationalistischen und fremdenfeindlichen Attacken mit der Frage nach der politischen Identität und, noch schlimmer, mit Fragen der Gerechtigkeit und der wirtschaftlichen Verteilungskämpfe verschlungen zu lassen. Das Raunen, das Rassismus, Sozialpolitik, Heimatgefühl und Partizipationsansprüche in einen gemeinsamen Argumentationsstrom zusammenfließen lässt, kommt von ganz rechts wie von ganz links. Der verhängnisvolle Kurzschluss, die soziale Frage mit der nationalen, mit antieuropäischen und antiglobalen Wendungen zu verkoppeln, ist seit einiger Zeit auch in linken Diskursen unüberhörbar.

Was uns offenbar so schwerfällt, ist die gleichzeitige Auseinandersetzung an mindestens zwei Fronten: die Mobilisierung des eigenen politischen Willens als bürgerliches WIR – und die harte und geduldige Auseinandersetzung mit den Identitätsangeboten der Neuen Nationalisten.

Nehmen wir also diesen Kampf auf mit unseren Mitbürgern Gauland, Höcke oder Wagenknecht. Doch den gibt es freilich nicht ohne Risiko. „Die, die das Identitätsspiel spielen“, schreibt Mark Lilla, „sollten darauf vorbereitet sein, dass sie dieses Spiel auch verlieren können.“ Wir müssen uns schon sicher sein, dass unsere Vorstellungen vom WIR über unsere Communities hinaus attraktiv und faszinierend sind. Und wir werden eine Menge damit zu tun haben, aus der reinen Abwehr der neuen rechten Krieger zu einer politischen Vision unserer modernen Gesellschaft zu kommen, die mehr ist als ein „Ja, aber“. Unterschätzen sollten wir diese Debatte über das künftige „Wir“ niemals und nirgendwo.

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7 Kommentare

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  • "Kampf um unsere Identität", tssss, rein raus, bin ich, bin ich nicht, das ewige binäre Spielchen der Nationenbildung.......da kann man doch nicht ernsthaft mitmachen----1A Instrumentalisierungen sind das

  • 7G
    76530 (Profil gelöscht)

    Bei aller Berechtigung von Kritik: Wagenknecht in einem Atemzug mit Gauland und Höcke zu nennen, zeugt bestenfalls von erschreckender Blindheit, schlimmstenfalls von Demagogie und Unfähigkeit zur Differenzierung. Der Hinweis von Jens Rolf auf den jungen Heiner Geißler trifft dies sehr gut.

     

    Dass es kein WIR mehr gibt, so wie es keinen Sozialstaat und auch kein Gemeinwesen gibt (nur ein trauriges marginales Überbleibsel) ist das Ergebnis einer jahrzehntelangen Politik von Privatisierung und Vereinzelung durch die etablierten Parteien von CDU/CSU, über FDP, SPD bis hin zu Bündnis 90/Die Grünen.

  • Da sind Sie nicht der erste Herr Raue, der die Notwendigkeit der Frage nach der nationalen Identität so heraus- und allein stellt. Charakterisiert als eine Frage "auf Leben und Tod" haben sie schon Negt und Kluge in ihrer gemeinsamen Philosopie: "Geschichte und Eigensinn".

    Sie beginnen ihr Arbeitsfeld, Deutschland als Produktionsöffenlichkeit darzustellen, mit einem Entwurf. Und diesen Entwurf mit einem Nietzsche-Zitat aus "Zur Genealogie der Moral": ""Man brennt etwas ein, damit es im Gedächtnis bleibt: nur was nicht aufhört, weh zu tun, bleibt im Gedächtnis" - das ist ein Hauptsatz aus der allerältesten (leider auch allerlängsten) Psychologie auf Erden. Man möchte selbst sagen, daß überall, wo es jetzt noch auf Erden Feierlichkeit, Ernst, Geheimnis, düstere Farben im Leben von Mensch und Volk gibt, etwas von der Schrecklichkeit nachwirkt, mit der ehemals überall auf Erden versprochen, verpfändet, gelobt worden ist: die Vergangenheit . . . haucht uns an und quillt in uns herauf, wenn wir `ernst´ werden. Es ging niemals ohne Blut, Martern, Opfer ab, wenn der Mensch es nötig hielt, sich ein Gedächtnis zu machen; ... Ah, die Vernunft, der Ernst, die Herrschaft über die Affekte, diese ganze düstere Sache, welche Nachdenken heißt, alle die Vorrechte und Prunkstücke des Menschen; wie teuer haben sie sich bezahlt gemacht! wie viel Blut und Grausen ist auf dem Grund aller "guten Dinge"!"

    "Unser schönes Deutschland", schreiben die sicherlich guten Bürger Negt und Kluge weiter, "ist eine ungeheure Sammlung von solchen ´guten Dingen`".

    Es lohnt sich von dort an weiter zu lesen.

    Herr Raue, ich hoffe, sie erreichen mit ihrer Aufforderung, daß insbesondere sich als politisch links und als kritisch Interlektuelle verstehende, beginnen, sich mit einer Art "Theologie des Landes", unseres Landes zu beschäftigen.

  • Kein charismatisches, aufregendes, bewegendes und mobilisierendes politisches Angebot im demokratischen Spektrum weit und breit, das es mit den frivolen und tabulosen Verlockungen der radikalen Flügel aufnehmen kann?

     

    Vielleicht nicht mehr lange. Eine Gruppe von GroKo-Gegnern innerhalb der SPD hat mit anderen zivilgesellschaftlichen Akteuren zusammen gerade die „Progressive Soziale Plattform“ gegründet, die scheinbar genau das erreichen will, was Sie fordern: Für eine echte soziale Demokratie mit Vision.

     

    Hier gibt es mehr Informationen: https://www.plattform.pro/

    Sobald 5000 Leute unterschrieben haben, geht es weiter. Unterschreiben kostet nur ein paar Mausklicks!

  • Ich sehe die Relevanz der AfD hier nicht. Die AfD ist eine Oppositionspartei, deren Stimmen Sie zu 50%+ Protestwählern zu verdanken haben. Es gibt keine relevante Partei, die mit ihr koalieren will und der gesamte journalistische Mainstream schreibt gegen sie an. Warum also soll man der Rede eines Björn Höcke nun dieses Gewicht beimessen?

     

    Das Problem sehe ich auch nicht darin das man aus dem dritten Reich gelernt hat. Man hat gelernt aber viel zu oberflächlich. Man hat gelernt das Nazis schlecht sind. Okay das ist nicht falsch, aber das alleine ist viel zu starr und zu plump. Man hätte lernen sollen das autoritärer Ordnungswahn dazu neigt sich zu Verselbstständigen. Man hätte lernen sollen das Identitätspolitik, sei es nun entlang der ökonomischen Klassen oder der "Rasse", immer spaltet und letztlich ins Verderben führt. Man hätte lernen können das der Mensch zu viel mehr Übel in der Lage ist als er sich selber zutraut und vieles mehr...

     

    Seit 10+ Jahren wird einem Identitätspolitisches nun von beiden politischen Lagern mit dem Löffel reindrückt. Doch es gibt nicht mehr die rechten Rassisten und linken Antirassisten, es gibt den klassischen, rechten Rassismus und einen linken Gegenrassismus, den Antirassismus hat man sang- und klanglos über Bord geworfen. Ebenso den Willen das Recht auf freie Meinungsäußerung zu verteidigen. Das allein sollte schon skeptisch machen, denn das Recht zu freier Rede ist sicher kein Mittel um die vorherrschenden Zustände zu zementieren.

     

    Idenitätspolitik, die Abkehr vom Individuum hin zur Gruppe ist an Dummheit nicht zu überbieten! Das bekommen auch die linken Gruppendenker langsam wieder mit, deshalb reden sie nun gerne von Intersektionalität. Das ist immer noch hirnrissig aber wenn man diesen Gedanken zu ende denkt und Menschen auf Basis aller nicht veränderbaren Merkmale in Gruppen einteilt dann ist man bald wieder beim Individuum angekommen. Hoffen wir das es nicht mehr zu lange dauert bis dieser Groschen bei der Linken fällt!

    • @Januß:

      "Das Problem sehe ich auch nicht darin das man aus dem dritten Reich gelernt hat." -> da fehlt ein "nicht" nach dem dritten Reich.

  • Ja, es gibt Rassismus und Xenophobie. Es gibt aber auch eine Erzählung, die darüber hinaus jedes Ansprechen der sozialen Frage von "ganz links" (schon die Formulierung ist demaskierend) nach "ganz rechts" verortet haben möchte, die wie früher Heiner Geißler (als er noch ganz CDU-Polemiker war) Sozialismus und Nationalsozialismus gleichzusetzen versucht. Das Ziel? Nun, die Abschaffung des Sozialstaats. (Wenn's hilft, klaut man dazu auch den Linken den Internationalismus und die Weltoffenheit. Man ist ja Global Player.)

    Es gibt ferner auch ein "Wir" derjenigen Menschen, die in dieser Staatsgemeinschaft (wie in anderen) schon länger miteinander leben, viele davon mit Migrationshintergrund; die, die von Ihrer Arbeit abgeben und abgegeben haben, um anderen soziale Sicherung zu bieten, um selbst soziale Sicherung zu haben, wenn sie krank oder arbeitslos werden, undes gibt auch die, die schon von Sozialtransfers leben, denn auch sie gehören dazu - zu dieser ganz un-"völkischen" Solidargemeinschaft, die hart und lange erstritten wurde.

    "Grenzen auf" - kann man nur fordern, denn wie soll man denn die fernhalten, die vezweifelt ein besseres Leben suchen? Aber "Grenzen auf und Leistungen für alle" (EU-Bürger_innen aus Rumänien oder Bulgarien haben offene Grenzen, aber bekommen bezeichnenderweise keine Leistungen): diese Forderung ist entweder naiv oder weiß, was sie bezweckt, nämlich den Zusammenbruch des Sozialstaats.

    Wir könnten viel mehr Menschen aufnehmen, aber wer fordert die dazugehörigen Steuererhöhungen, den sozialen Wohnungsbau im großen Stil, die Deckelung von Mieten) Nicht diejenigen, die jede Forderung nach mehr globaler Gerechtigkeit, nach Verbesserung der Lage in Herkunftsländern, als rassistisch abtun.