heute in bremen: „Die Fachquote ist völlig unzureichend“
taz Salon „Alt werden in Bremen? Oder lieber woanders? Das neue bremische Wohn- und Betreuungsgesetz im taz Salon auf dem Prüfstand“:
19 Uhr, Kioto im Kulturzentrum Lagerhaus
Interview Karolina Meyer-Schilf
taz: Herr Leopold, welche Schwachstellen hat das bremische Wohn- und Betreuungsgesetz?
Reinhard Leopold: Es erfüllt weder die Erwartungen noch die Erfordernisse und fachlichen Anforderungen an eine menschenwürdige Pflege!
Ist zum Beispiel die Fachkraftquote von eins zu 40 nachts ausreichend?
Die Fachkraftquote nachts und die Umsetzung erst bis April 2019 sind völlig unzureichend.
Wie viele Fachkräfte wären denn nötig?
Wissenschaftler und Pflege-Experten halten eine Nachtbesetzung in stationären Pflegeeinrichtungen von einer Pflegefachkraft für maximal 30 pflegebedürftige Menschen für gerade noch vertretbar. In Einrichtungen mit vielen dementen oder anders kognitiv beeinträchtigten Bewohnern sollten es maximal 20 Bewohner sein, die von einer Fachkraft versorgt werden.
Was haben Sie für einen Eindruck von den Bremer Heimen?
In zunehmendem Maße bekomme ich negative Meldungen von Angehörigen und auch von Pflegekräften. Das spiegelt sich ja auch in den monatlichen Veröffentlichungen der Transparenzberichte des medizinischen Dienstes der Krankenkassen wider, in denen Bremen im Bereich der medizinischen und pflegerischen Versorgung seit über einem Jahr am schlechtesten von allen Bundesländern abschneidet.
Reinhard Leopold, 62, ist Gründer der Angehörigen-Initiative „Heim-Mitwirkung“ und Regionalbeauftragter der Bundesinteressenvertretung für alte und pflegebetroffene Menschen e.V.
Kontrolliert die Heimaufsicht ausreichend?
Die Personalausstattung der Bremischen Wohn- und Betreuungsaufsicht entspricht ebenfalls nicht den gesetzlichen Anforderungen. Es kommen immer mehr zu überwachende Wohnformen und neue Pflegeheime hinzu und der Aufgabenbereich wird immer größer. Dagegen gibt es nicht mehr Personal in der Heimaufsicht, wobei es seit einem Jahr nicht einmal mehr eine Leitung dieser Behörde gibt.
Worauf sollten Menschen achten, die in Bremen einen Heimplatz suchen?
Auf der Suche nach einer „passenden“ Pflegeeinrichtung sind zunächst die Bedarfe und Bedürfnisse der zu versorgenden Person festzustellen. Bei der Suche sollten die Angehörigen bzw. die rechtlichen Vertreter der Pflegebedürftigen mit allen Sinnen die Einrichtungen wahrnehmen. Wie riecht es dort, wie sauber ist es, sind die Bewohner apathisch oder munter, wirkt das Personal gehetzt? Man sollte mit Bewohnern und Angehörigen, aber auch mit Pflegekräften sprechen. Ein Austausch mit dem Bewohnerbeirat ist auch hilfreich.
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