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Und dann wurde es finster über dem Feld in Oregon

Schwimmen von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang, nackte Screens und pechschwar-ze Räume, in denen Julius Eastman gegeben wird: das Forum Expanded bei der Berlinale

Ein großes Schauspiel in minimalistischer Manier Foto: Still: Anouk De Clercq/Tom Callemin/Berlinale

Von Brigitte Werneburg

Zwei Installationen überzeugen beim Forum Expanded in der Akademie der Künste (AdK) besonders. Eine gleich am Anfang, die andere am Ende des Ausstellungsparcours. Zu Beginn schauen wir aufs Meer und einen Swimmingpool davor. Ihn quert in regelmäßigem Abstand eine Schwimmerin. Es handelt sich um Nesrine Khodr, die Künstlerin selbst. Zwölf Stunden lang hat sie sich gefilmt, wie sie von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang ihre Bahnen durch das Becken zieht, unterbrochen von zwei kurzen Pausen. Im Hintergrund kreuzen Schiffe, Badende lassen sich auf dem Meer treiben.

Die Zeit im flimmernden Blau am Strand von Beirut verstreicht im gleichen Maße wie im Sitzsack in der AdK: Es ist kaum eine elegantere und anspruchsvollere, weil derart Zeit konsumierende Flucht aus dem Berliner Alltag vorstellbar als das Betrachten von „Extended Sea“.

Handelt es sich bei dieser Meditation um „A Mechanism Capable of Changing Itself“? So lautet das diesjährige Motto des Forum Expanded, bei dem Stefanie Schulte-Strathaus und ihr Kuratorenteam bei Maya Deren fündig wurden. Die US-amerikanische Avantgardefilmerin sprach vom Marxismus als der einzigen politischen Theorie, die einen Mechanismus entwickelt habe, der sich selbst zu verändern vermag, etwa im Konzept des absterbenden Staats. Einen analogen Mechanismus wünschte sie sich für das Kino.

Ja, dem kann man etwas abgewinnen. Allerdings sind die Beiträge, die das versuchen, eher rar gesät. Am hinreißendsten gelingt das Adam Kaplan und Gilad Baram mit „The Disappeared“ im Filmprogramm #3. Vordergründig erzählt der Film die Geschichte eines von der israelischen Armee im Jahr 2000 produzierten Actionfilms, der kurz vor dem Kinostart auf Nimmerwiedersehen in der Versenkung verschwand.

Tatsächlich ist Kaplans und Barams Rekonstruktion der Ereignisse, die völlig ohne Bilder auskommt und nur zwei unterschiedliche, leere Screens mit den englischen Untertiteln der hebräisch gesprochenen Metaerzählung sowie der Berichte der Beteiligten zeigt, eine melancholisch absurde Hommage an das sogenannte große Kino und gleichzeitig eine grandiose Abrechnung mit ihm. An sich sollte der Film das schwierige Thema der überdurchschnittlichen Selbstmordraten unter den Soldat*innen behandeln, und wie dem zu begegnen sei.

Allerdings geriet es sofort unter die Räder, als der Leiter des Filmteams hier die Möglichkeit sah, die ganz große Maschine Film und damit Massen von Statisten sowie Panzer- und Hubschrauberbrigaden ins Rollen zu bringen. Dabei verlor er wohl den Überblick über das mit hoher Wahrscheinlichkeit ziemlich monströse Machwerk – und die Euphorie des Anfangs verendete in einem „Rette sich wer kann“.

Handelt es sich hier um „A Mechanism Capable of Changing Itself“?

Gleichzeitig ließen sich die nackten Screens von „The Dis­appeared“ mit all den Bildern füllen, die das Militär als unfreiwillig größter Filmproduzent der Welt allenthalben und unentwegt hervorbringt. Und die so rein quantitativ das Dokumentarische definieren. Flaniert man deshalb etwas unentschieden von einer Leinwand zur anderen, weil man befürchtet, nur weitere Bilder aus der Sphäre wenn nicht gleich militärischer, so doch politischer, ökonomischer oder ideologischer Bürgerkriege zu sehen?

Aber dann beobachtet man mit James Benning über einem Feld in Oregon im Laufe von 45 Minuten eine totale Sonnenfinsternis und erlebt ein großes Schauspiel in minimalistischer Manier. Andere Arbeiten sind kleinteiliger wie etwa Ash Moniz’ kluge Interviews mit zwei Passbildfotograf*innen in Zeiten des maschinenlesbaren Passes, der auch in Ägypten nun Standard ist. Komplex auch Jen Lius aufwendige Filmerzählung aus Erklärvideos von Biotechfirmen und poppigen Comics, in der sie den Zusammenhang von künstlicher Rindfleischproduktion und Arbeitskämpfen in China herstellt.

Zum Schluss wird es im pechschwarzen Raum der Otolith Group mit seinen zwei Leinwänden wieder einfach und absolut grandios. Darauf sehen wir vier weiße Pianist*innen in Paaren auf zwei schwarze Flügel einhämmern, wobei sie das geradezu hypnotische Stück „The Crazy Nigger“ von Julius Eastman zu Gehör bringen. Eastman wurde als einer der wenigen schwarzen Musiker mit minimalistischer Musik bekannt. Die scheinbar endlosen Schleifen der Doppelungen und Wiederholungen, sie sind dann wirklich Maya Derens „Mechanism Capable of Changing It­self“.

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