piwik no script img

Studie zum Anstieg des MeeresspiegelsMeere steigen schneller und höher

US-Forscher werten Satellitendaten aus: Schon im Jahr 2100 könnte der Pegel mehr als doppelt so hoch sein wie bisher angenommen.

Fast Landunter: Ureinwohner einer Insel vor Panama Foto: reuters

Berlin taz | Der Meeresspiegel steigt wegen des Klimawandels immer schneller. Bis zum Jahr 2100 könnte der weltweite Durchschnittspegel an den Küsten um 65 Zentimeter höher liegen als im Jahr 2005, wie Wissenschaftler der Universität Colorado in Boulder nun berechneten. Damit wären die Wasserstände dann doppelt so hoch, als es bislang häufig prognostiziert wurde. Das berichtet eine Forschergruppe um Steve Nerem in der US-Fachpublikation Proceedings der US-Nationalen Akademie der Wissenschaften, die am Dienstag veröffentlicht wurde.

Der Anstieg der Durchschnittspegel gefährdet durch Überschwemmungen weltweit Hunderte Millionen Menschen, die an den Küsten wohnen. Manche Orte sind verwundbarer als andere, manche Länder können sich gegen die Fluten schützen, andere weniger. Und höhere und wärmere Meere tragen dazu bei, dass stärkere Stürme entstehen und Sturmfluten drastischer ausfallen. Seit 1993 stieg der Meeresspiegel im weltweiten Durchschnitt jährlich um etwa drei Millimeter. Die von den Wissenschaftlern jetzt berechnete Beschleunigung könnte dazu führen, dass der Anstieg im Jahr 2100 zehn Millimeter pro Jahr beträgt.

Nerem und seine Kollegen nutzten für ihre Kalkulationen Satellitenmessungen. Es handelt sich um die längste bisher vorhandene Messreihe zur globalen Meereshöhe. Die Forscher gingen davon aus, dass sich die Meeresspiegel-Veränderungsrate der vergangenen 25 Jahre in Zukunft fortsetzt und weiter verstärkt.

„Die Studie bestätigt unsere schlimmsten Erwartungen“, sagte Ingo Sasgen vom Alfred-Wegener-Institut in Bremerhaven der taz. Der Klimaforscher lobt die Arbeit seiner US-Kollegen, weil sie die Folgen eines ungebremsten Temperaturanstiegs belegten. „Im Grunde bedeuten die Untersuchungen, dass die Szenarien, die im Bericht des Weltklimarats sind, Gültigkeit besitzen.“ Die besondere Leistung der US-Forscher sei, dass sie mit ihren Untersuchungen „keinen Spielraum für Wunder“ beim Anstieg des Meeresspiegels ließen. Der einzige Weg, einen so hohen Anstieg der Pegel zu verhindern sei, das Zwei-Grad-Ziel einzuhalten.

Beschleunigter Anstieg des Meeresspiegels

Die Datenreihe, die Nerem und seine Kollegen verwendeten, begann mit dem Start des Satelliten „Topex/Poseidon“ im August 1992 und wurde mit den drei „Jason“-Satelliten fortgesetzt. Die Wissenschaftler berücksichtigten verschiedene Faktoren, die den globalen Meeresspiegel beeinflussen, etwa das Klimaphänomen El Niño im Pazifik. Auch die Schwankungen in den Wassermengen, die an Land gespeichert werden, gingen in die Analyse ein.

Die Wissenschaftler rechneten natürlich bedingte Ereignisse wie Vulkanausbrüche aus den Messdaten heraus. Auf diese Weise konnte das Team um Neren den menschengemachten Anstieg des Meeresspiegels beziffern. Die Wissenschaftler kamen so auf eine jährliche Beschleunigung des globalen Meeresspiegelanstiegs von 0,08 Millimeter.

Es ergibt sich also eine exponentielle Kurve mit stets zunehmenden Anstiegsraten. Verantwortlich für den Anstieg ist zum einen das Abschmelzen der Eisschilde, zum anderen der Umstand, dass Wasser sich bei Erwärmung ausdehnt. „Die Studie stellt sehr glaubhaft dar, dass es eine Beschleunigung des Anstiegs gibt“, urteilt Klimaforscher Sasgen aus Bremerhaven. Die Wissenschaftler hätten nicht nur neue ­Messdaten verwendet, sondern diese auch sehr gründlich ausgewertet. So seien zahlreiche Effekte, die nichts mit dem ­Klimawandel zu tun haben, ­herausgerechnet worden. (mit dpa)

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

12 Kommentare

 / 
  • Skepsis ist angebracht: Schauen, wer welche Studien in wessen Auftrag erstellt. Und wann mit welchem Ziel solche Studien verbreitet werden.

    In den letzten 3 Jahren - das zeigen die Originaldaten nicht zitierter (da nicht genehmer) Studien - ist der Meeresspiegel nicht angestiegen (auch das ist zu hinterfragen).

  • Das die Meeresspiegel anders als ursprünglich gedacht oder erwartet schneller ansteigen liegt wohl in der Sache an sich begründet.

     

    Auch die ewigen Naturgesetze des Wasserkreislauf unterliegen dem Wandel und potenzieren sich im Zusammenspiel der für uns offen sichtbaren und auch in den nicht sichtbaren Erscheinungsformen.

     

    Viele Jahrzehnte lang wurden die Umweltpolitik der Regierungen auch in unserem Europäischen Land mit dem warnenden Hinweis das es fünf vor zwölf ist, zum nachhaltigen handeln von einer Vielzahl von Wissenschaftlern und Initiativen der Bürgerinnen und Bürger aufgefordert.

     

    Anders als ursprünglich gedacht erreichen uns inzwischen täglich Reportagen und Dokumentationen die darauf hindeuten, dass es auch schon fünf nach zwölf sein könnte.

     

    Das uns das Wasser symbolisch betrachtet nicht nur in der Umwelt-, sondern auch in der Sozial-, Arbeits-, Kultur- und Bildungspolitik bis zum Hals steht, ist wiederum ein Symbol für die Gesetze von Ursachen und Wirkungen und die Folge unseres eigenen Denken und Handeln.

     

    Wenn es uns nicht gelingt unsere eigenen politischen Interessen den Gemeinnützigen unterzuordnen und uns um eine gemeinsame Lobby kümmern, werden wir uns wohl weiterhin in endlos Diskussionen verzetteln und es besteht am Ende die Gefahr, dass uns die Zeit davon läuft.

     

    Ich hoffe das es uns in unserer Politik gelingt gemeinsam den Ball des Wandel zu einer mehr uneigennützigen Gesellschaft ins rollen zu bringen.

     

    Dazu benötigen wir die Hilfe aller für dieses Thema relevanten Medien Bereiche die uns dabei unterstützen gemeinsam eigene Wege zu gehen.

     

    Wenn wir wirklich und wahrhaftig alles politisch und Menschen mögliche für die Zukunft unseres Planeten, der Natur, unsere Tiere und unsere Kinder tun wollen, dann sollten wir auch sofort damit beginnen und uns von Nichts und Niemanden davon abhalten lassen.

     

    Wir benötigen wohl jeder für sich eine innere Sammelbewegung, eine gemeinsame Zeit der Besinnung für die Ideen und besten lösungen für die Zukunft.

  • 2G
    21272 (Profil gelöscht)

    Habe hier eine website gefunden, die sehr detalliert die Meeresspiegelveraenderung in der Vergangenheit darstellt: https://searise.correctiv.org/de/explore/europe

    Demnach liegt der durchschnittliche Anstieg in den letzten 33 Jahren im Durchschnitt bei ca. 1 bis 2 mm pro Jahr.

    Es ist pure Spekulation, dass dieser Anstieg sich beschleunigen koennte. Er koennte genausogut in eine Absenkung uebergehen.

    Solch alarmistische Studien sind mit grosser Vorsicht zu geniessen.

  • Weder der Titel noch die Untertitelbemerkung dieses Artikels sind korrekt. Das alles war schon lange bekannt. Herr Prof. Rahmstorf hatte im Dlf versucht das richtig zustellen, aber die Moderatorin wollte die „erfundene“ Nachricht nicht zerstören. Was tatsächlich neu ist, also was in die Forscher neues zum Thema beitragen, ist die Angabe der Beschleunigung mit einer konkreten Zahl.

    That‘s all, also eigentlich keine Nachricht.

  • 8G
    83492 (Profil gelöscht)

    Dass der Pegel doppelt so hoch wie angenommen sein wird, ist wohl nicht richtig. Der zu erwartende Pegelanstieg deckt sich mit den Vorhersagen, die der Weltklimarat bisher schon für ein ungebremstes Emissionsszenario gemacht hat.

    Das ist jedenfalls die Aussage von Stefan Rahmstorf, Professor für Ozeanografie am Potsdamer Institut für Klimafolfenforschung in einem Interview mit dem DLF.

     

    Ab 1:40 nachzuhören in http://ondemand-mp3.dradio.de/file/dradio/2018/02/13/meerespiegelanstieg_um_65_cm_binnen_80_jahren_interview_dlf_20180213_1136_87f656ed.mp3

     

    Den Text des Interviews gibt es leider nicht vollständig. http://www.deutschlandfunk.de/klimawandel-meeresspiegel-steigt-schneller-als-bisher.2850.de.html?drn:news_id=850339

  • Sorry. Ich verstehe den Artikel nicht. Während die Einganszeile, dass die Meeresspiegel 2100 doppelt so hoch sind, noch auflösen kann, dass der Autor meint, der ANSTIEG von dem man bisher ausgegangen ist, verdoppelt sich, weiß ich nicht, was der Satz bedeutet:

     

    "Auf diese Weise konnte das Team um Neren den menschengemachten Anstieg des Meeresspiegels beziffern. Die Wissenschaftler kamen so auf eine jährliche Beschleunigung des globalen Meeresspiegelanstiegs von 0,08 Millimeter."

     

    D.H. von 10mm Anstieg im Jahr sind 0,08 mm menschgemacht?? Das hieße, der Meeresspiegel würde sowieso um 2,92 mm ansteigen? Wenn dem so wäre, käme es auf den Menschen letztlich nicht an. Das kann ja kaum die Aussage sein. Oder kumuliert sich dieser Wert (also 80 Jahre * 0,08mm + 3 mm = 12,6 mm im Jahr 2096?). Dies passt aber nicht mit dem nächsten Satz:

     

    "Es ergibt sich also eine exponentielle Kurve mit stets zunehmenden Anstiegsraten."

     

    Meine Kurve wäre streng linear.

     

    Kann mich jemand aufklären?

    • @Strolch:

      alte annahme zu menschengemachtem anstieg: jedes jahr 3 mm mehr als im vorjahr.

       

      neu nachgewiesen: die jährliche zunahme nimmt selbst zu.

       

      anstieg dieses jahr: 3,00 mm obendrauf

      anstieg nächstes jahr: 3,08 mm obendrauf

      2020: 3,16 mm obendrauf

      ect

       

      so ist das etwa gemeint

  • Diese ganzen Studien sind sicher richtig, nur tangiert es die heute Lebenden nicht, was 2100 sein wird. Das sind noch 80 Jahre! Vor 80 Jahren brach gerade erst der 2. WK aus. Da gab es die großen Städte, die jetzt vom steigenden Meeresspiegel bedroht sind, noch gar nicht. Was war denn Manila 1940?

    Irgendwie müssen wir das mit dem Umwelt- und Klimaschutz anders angehen. Es gibt soviele drängende Probleme: Krieg, Wasser, Überbevölkerung, Ackerland. Irgendwann kann man dann mal von den Küsten wegziehen, das wird dann ganz langsam und unbemerkt vor sich gehen.

    • @Energiefuchs:

      klar ist das nicht das einzige und nicht das größte problem. aber es lohnt sich schon, darüber bescheid zu wissen, ob manila oder lagos, alexandria oder miami, new orleans oder amsterdam alle ihre deiche aufstocken, häfen verlegen, gebäudekeller versiegeln müssen.

      auf eigene kosten. damit rwe und shell weiter tolle gewinne machen können.

      • @chn:

        In Pakistan reicht das Wasser pro Kopf nicht mehr. Jetzt, nicht in 10 Jahren.