Harald Keller Der Wochenendkrimi: Was Lustiges mit Münster geht immer.Auch an einem Samstag im ZDF
Schon mal daran gedacht, Fernsehkritiker zu werden? Nicht Facebook-Motzer, sondern mit abgeschlossenem Studium, Approbation, Assistenzzeit. Hier zur Einführung eine Grundregel, über die Kommunikationswissenschaftler 20-seitige Aufsätze verfassen: Der Gegenstand einer Rezension ist an seiner Intention zu messen. Wenn uns also eine Kriminalkomödie vorgelegt wird, bemängeln wir nicht, dass der Film die Gestalt einer Kriminalkomödie hat, nur weil wir lieber einen düsteren Thriller mit zerstückelten Frauen und malträtierten Kindern gesehen hätten. Sondern wir gucken, ob die Kriminalkomödie als solche funktioniert.
Das Publikum liebt Kriminalkomödien. Wenn die Sender die Quote hochjagen möchten, zeigen sie irgendwas Lustiges mit Münster. Das Erste den Münster-„Tatort“, das ZDF „Wilsberg“.
Oder aber „Friesland“. Wo man den Kaffee aus „Wilsberg“-Tassen trinkt. Die aktuelle Episode „Schmutzige Deals“ stammt von Timo Berndt, der bislang die meisten Skripts beigesteuert hat. Sein Interpret im Regiestuhl ist einmal mehr Markus Sehr. Beide haben ein Händchen für Qualitätskomik. In der ersten Einstellung steht ein einsames Schaf landeinwärts schauend auf dem Deich, unten rollt der Streifenwagen von Süher Özlügül (Sophie Dal) und Henk Cassens (Maxim Mehmet) vorbei. Ein paar Szenen weiter wird der Beerdigungsunternehmer Habedank (Holger Stockhaus) auf einen einsamen Feldweg gelockt. Ein Jauchewagen blockiert die Weiterfahrt. Plötzlich ertönt der Countdown aus der 60er-Jahre-Kultserie „Raumpatrouille“ (die damals noch nicht sinnlos „Raumpatrouille Orion“ hieß), und zu den Klängen von Peter Thomas’ unsterblicher Titelmelodie schießt feierlich eine Fontäne tierischen Auswurfs durch die Luft. Noch ein wenig später rollt der Leichenwagen in krustigem Fäkalienkleid an besagtem Streifenwagen vorbei.
Das kann man scheiße finden, aber wir vom einfachen fernsehenden Volk haben herzlich gelacht.
Das aber war’s noch gar nicht. Das Gute an dieser Folge ist die sorgfältige Verschränkung mit der Wirklichkeit. Wenn es um die heutigen Probleme der Agrarwirtschaft geht, kommt bare Zeitkritik ins Spiel. Lobenswert die Nuancierung der „forensischen Apothekerin“ Insa Scherzinger (Theresa Unterberg), die heuer nicht als frohgemuter Sonnenschein durch die Handlung pirouettiert, sondern Kummer und Sorge zugeschrieben bekommt. Das nämlich ist die höchste Form der Komik: wenn sie auch die tragischen Seiten des Lebens anklingen lässt.
„Friesland: Schmutzige Deals“, Samstag, 20.15 Uhr, ZDF
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