Kolumne Der rechte Rand: Hatte der NSU Helfer in Hamburg?
Ungeklärt ist, warum der NSU in Hamburg ausgerechnet Süleyman Taşköprü ermordet hat. Die Rechtsanwälte der Familie fordern einen Untersuchungsausschuss.
D ie Debatte um NSU-Untersuchungsausschüsse in den Ländern geht weiter. Eine Anfrage der Linken im Bundestag hat offenbart, dass Bundeskriminalamt und Bundesanwaltschaft im Münchner Strafprozess und vor dem Bundestags-Untersuchungsausschuss unterschlagen haben, dass der Rostocker Imbiss von Haydar A. schon 1998 Ziel von Angriffen war. 2004 wurde dort der Verkäufer Mehmet Turgut von der Terrorgruppe Nationalsozialistischer Untergrund (NSU) ermordet. Diese Information hätte Hinweise auf mögliche NSU-Unterstützer in Mecklenburg-Vorpommern geben können, glaubt die Linken-Abgeordnete Martina Renner.
Auch in Hamburg ist ungeklärt warum die NSU-Killer Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt 2001 ausgerechnet Süleyman Taşköprü „hingerichtet“ haben, wie Rechtsanwalt Andreas Thiel den Mord vor dem Oberlandesgericht München bezeichnete. Thiel und seine Kollegin Gül Pinar, beide Rechtsbeistände der Familie, forderten in ihren Plädoyers einen eigenen Hamburger Untersuchungsausschuss.
Sie erinnerten daran, dass am 27. Juni 2001 Mundlos und Bönhardt das Lebensmittelgeschäft „Taşköprü Market“ in der Schützenstraße betraten und mehrere Schüsse auf den Kopf ihres Opfers abgaben. Kurz nach den Schüssen war damals der Vater Ali in den Laden gekommen, sein Sohn starb in seinen Armen. Noch vor Ort sagte Ali Taşköprü der Polizei, dass er auf dem Weg zum Laden zwei Männern begegnet sei: groß, schlank, zwischen 25 und 30 Jahre alt und Deutsche – keine Südländer. Eine Spur, der nie nachgegangen wurde. Die Ermittlungsmängel, so Thiel weiter, sollten aber besser „außerhalb des Verfahrens“ bearbeitet werden.
Pinar verwies auf die zahlreichen Verbindungen der rechten Thüringer Szene, aus der das NSU-Trio kam, nach Hamburg, etwa zu dem mittlerweile verstorbenen Nazi-Multifunktionär Jürgen Rieger, dem „Deutschen Rechtsbüro“ oder zum damals in Hamburg ansässigen Rechtsextremen Christian Worch.
Andreas Speitarbeitet als freier Journalist und Autor über die rechte Szene nicht nur in Norddeutschland
Hatte der NSU Helfer in der Stadt? Sie habe ihren Mandanten gleich zu Prozessbeginn dargelegt, dass all diese Fragen im Strafprozess nicht geklärt werden könnten, sagte Pinar. Aber sie müssten in einem Untersuchungsausschuss aufgearbeitet werden. Sie bat darum das Gericht, beim Urteil zu bedenken, dass die weitere Aufklärung „nicht blockiert“ werden dürfe.
Dabei, so Pinar, könne dem Wort „jedenfalls“ eine erhebliche Bedeutung zukommen: Stelle das Gericht etwa fest, dass der NSU „jedenfalls aus Zschäpe, Mundlos und Böhnhardt“ bestand, lasse es die Möglichkeit offen, dass es weitere Unterstützer gegeben habe – und damit die Chance auf eine spätere Aufarbeitung.
Links lesen, Rechts bekämpfen
Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen