piwik no script img

Etwas Tristes übern Tod

„Endlich“, die neue Produktion der Jungen Akteure, lässt alte und kindliche Spieler*innen zusammen über das Sterben simmelieren und bleibt dabei auf trübe Weise allgemein

Jung und alt sind sich einig, was den Tod angeht: Man weiß halt nicht, was danach kommt Foto: Jörg Landsberg/Theater Bremen

Von Benno Schirrmeister

Traurig ist der Abend und das liegt nicht am Thema. Es liegt auch nicht am Spiel weder der kindlichen noch der alten Jungen Akteure, mit denen Nathalie Forstman und Choreografin Birgit Freitag die Produktion „Endlich“ entwickelt haben. Zwar entstehen aus der Heterogenität dieses Ad-hoc-Ensem­bles tatsächlich spannungsvolle Bilder. Und dort, wo Vorstellungen von Gebrechlichkeit und Betulichkeit des Alters konterkariert werden, ergibt sich mitunter auch eine witzige Szene. Die gemeinsame Auseinandersetzung mit Tod und Vergänglichkeit kratzt jedoch zu sehr nur an der Oberfläche des Themas, verläppert sich im Assoziativen, franst aus in Fragen vom guten Altern, vom angenehmen Leben und bleibt eigentümlich unverbindlich.

Obwohl die Kinder und Erwachsenen an ganz verschiedenen Punkten im Leben stehen und „allein durch den Altersunterschied über ganz unterschiedliche intellektuelle und physische Fähigkeiten verfügen“, so hatte der Pressetext begeistert von den Proben berichtet, habe sich herausgestellt, dass sie „einen ganz ähnlichen Blick auf den Tod haben“. Interessant habe man das gefunden, heißt es im Pressetext.

Ein verräterisches Statement. Denn tatsächlich ist, wo das eintritt, dass maximal gegensätzliche Gruppen die gleiche Vorstellung haben, die Wahrscheinlichkeit groß, dass man auf eine Banalität gestoßen ist und bloß mit eigenen Worten einen Gemeinplatz formuliert, der dem entspricht, was alle, egal ob klein oder groß, derzeit so normalerweise über den Tod denken. Etwa, dass man nicht weiß, wie es nach dem Tod ist. Dass man lieber kein langes Siechtum erleben will. Dass Abschied zu nehmen schwierig, wenn nicht logisch unmöglich ist. Und, dass der Tod kein Mensch ist, tönt es per Voice Over auf die Bühne.

Im Hintergrund auf der Leinwand dazu: Ins Monumentale skalierte Videoaufnahmen der AkteurInnen, die lächeln oder weinen. Sehr, sehr viel Pathos halt, das der Musiker Thorsten zum Felde mit Soundscapes aus atmosphärischem Klaviergepingel anreichert. Zwischendurch darf das Picknick à la mexikanischer Fiesta de los Muertos nicht fehlen. Und irgendwann kommen ein paar Schnipsel aus Mozarts unsterblichem Requiem vom Band: Das klingt natürlich immer und unverwüstlich erhaben. Besonders originell ist das allerdings nicht.

Wenn sich maximal gegensätzliche Gruppen einig sind, ist man wahr-scheinlich auf eine Banalität gestoßen

Traurig wird das, weil manche Momente verraten, was mit mehr konzeptioneller Arbeit aus diesem Projekt hätte werden können. Atemberaubend ist ein veritabler Alt-jung-Pas-de-deux gleich zur Eröffnung. Witzig ist, wie eine alte Darstellerin einen von zwei Mädchen zuvor kess dargebotenen Modern-Dance auf Disko-Sound bewusst arthritisch-eckig parodiert. Und ein wildes Stofftier-Brennball-Match, bei dem „tot!“ gerufen wird und sich alle bekreuzigen, wenn die Teddys ins Mal gedrückt werden, hat eine sanft-makabre Note.

Doch die wird nicht weiter ausgebaut. Und dort, wo der Brainstorm-Mitschnitt in die pessimistische Sicht hinüberspielt, dass der Tod vielleicht etwas Schönes sein könnte, bricht die Sitzung ab. Und sie wird auch nicht mit Fremdtexten verlängert.

In den vergangenen Jahren waren die Jungen-Akteure-Produktionen immer deshalb so gut, weil sie nicht aus falscher Rücksichtnahme vor dem zurückgeschreckt sind, was am Thema weh tut: Die Konkretion des Elends der Kindersoldaten, der präzise und schmerzhafte Blick auf Lust und Qual der Leistungsgesellschaft in „Turnen“: Das war stets hochklassige, zeitgenössische Bühnenkunst, in mehreren Spielzeiten wohl das Beste, was am Bremer Theater zu erleben war. Den Tod aber haben Forstman und Freitag in Watte gepackt und mit Samthandschuhen angefasst. Er bleibt so unscharf, allgemein und unreal, als hätten sie Angst vor ihm gehabt.

Weitere Aufführungen: 27., 28. und 31. Januar, je 19 Uhr, Moks

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen