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Die WahrheitUnbunte Menschen

Ralf Sotscheck
Kolumne
von Ralf Sotscheck

Die seltsamen Schöpfungen der selbsternannten Sprachpolizisten werden immer mumpitziger.

N eulich am Times Square in New York spricht mich ein junger Mann an: „Ich bin ein Nigger und rede mit einem Weißen, ist das okay?“ Ja, völlig in Ordnung, antworte ich. Er fragt mich, woher ich komme. Aus Irland, sage ich. „Oha, dann bist du ein grüner Nigger“, meint er. „Keine Hunde, keine Schwarzen, keine Iren – das stand früher an vielen Läden im gottverdammten England.“

Als ich später von meiner Begegnung mit dem Schwarzen erzähle, erfahre ich, dass der Begriff nicht mehr erlaubt sei. Es heiße nun „Person of Color“. Das sei die politisch korrekte Bezeichnung für nichtweiße Menschen. Ich glaubte, es sei längst verboten, jemanden als Farbigen zu bezeichnen, vom N-Wort ganz zu schweigen, denn dafür hat man in Schweden „Pippi Langstrumpf im Taka-Tuka-Land“ verbrannt.

In der Neuauflage ist Pippis Vater Südseekönig, und er spricht die Taka-Tuka-Sprache. Ist das weniger rassistisch? Eigentlich müsste er doch König der Personen von Farbe sein und die Personen-von-Farbe-Sprache sprechen. Und sind Schwarze (sorry!) in der Logik des bereinigten Pippi-Buches nicht Taka-Tukas?

Schwarz und Weiß sind unbunte Farben, im physikalischen Sinn sind sie gar keine Farben, weil sie entweder alle Lichtfrequenzen absorbieren oder reflektieren. Im Grunde genommen bin ich auch nicht weiß, sondern eher schweinchenrosa. Das ist immerhin eine Farbe. Bin ich deshalb eine „Person of Color“?

Aber man muss gar nicht auf die USA schauen, um sich zu wundern. Die britische Regierung hat bei der UNO eine Eingabe zur geplanten Erweiterung des Internationalen Vertrags für bürgerliche und politische Rechte gemacht. Der Zusatz sieht den besonderen Schutz für schwangere Frauen vor. Das sei diskriminierend, meint die Regierung in London. Es müsse „schwangere Personen“ heißen, weil sonst die Gruppe LGBTQIA+ ausgeschlossen sei.

Die ersten vier Buchstaben waren mir geläufig. Die letzten drei bedeuten Queer, Intersexuelle und Asexuelle. Das Pluszeichen steht für alle anderen. Was kann es denn noch geben? Zentauren und Chimären? Können die schwanger werden?

Es gibt in Großbritannien bisher lediglich zwei bekannt gewordene Fälle, in denen ein Mann nach einer Geschlechtsumwandlung ein Kind bekommen hat, weil die Ärzte Gebärmutter und Eierstöcke nicht entfernt hatten. Deshalb müssen Frauen nun aus dem Vokabular verschwinden.

Gleichzeitig will die britische Regierung ein Gesetz erlassen, das jedem und jeder die Entscheidung überlässt, welches Geschlecht er oder sie hat. Männer können sich dann nicht nur in Frauenumkleidekabinen, Frauengefängnissen und Frauenklos herumtreiben, sondern bei Olympischen Spielen auch als Frauen antreten.

Mumpitz – oder „Balderdash“, wie die englische Person sagen würde. Aber ich werde auch weiterhin niemals von einer schwangeren Person of Color sprechen.

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Ralf Sotscheck
Korrespondent Irland/GB
Geboren 1954 in Berlin. 1976 bis 1977 Aufenthalt in Belfast als Deutschlehrer. 1984 nach 22 Semestern Studium an der Freien Universität Berlin Diplom als Wirtschaftspädagoge ohne Aussicht auf einen Job. Deshalb 1985 Umzug nach Dublin und erste Versuche als Irland-Korrespondent für die taz, zwei Jahre später auch für Großbritannien zuständig. Und dabei ist es bisher geblieben. Verfasser unzähliger Bücher und Reiseführer über Irland, England und Schottland. U.a.: „Irland. Tückische Insel“, „In Schlucken zwei Spechte“ (mit Harry Rowohlt), „Nichts gegen Iren“, „Der gläserne Trinker“, "Türzwerge schlägt man nicht", "Zocken mit Jesus" (alle Edition Tiamat), „Dublin Blues“ (Rotbuch), "Mein Irland" (Mare) etc. www.sotscheck.net
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7 Kommentare

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  • 8G
    85198 (Profil gelöscht)

    Da liegt eine Verwechslung vor. Die "selbsternannten 'Sprachpolizisten" sind nicht diejenigen, mit denen man sich im Alltag unterhält. Das NetzDG regelt ganz klar, dass es zur Selbsternennung als Sprachpolizist mit privatisiertem Machtmonopol eine Kommentarfunktion mit ausreichend Nutzern braucht oder ein erfolgreiches Bewerbungsgespräch bei einem Unternehmen, dass diese Kriterien erfüllt. Das sollte auch sehr praktisch für staatliche wie private Geheimdienste sein, dann die Einstellungshürden bei Facebook & Co dürften nicht besonders hoch sein und mit der entsprechenden Legende leicht zu bewältigen.

     

    Soziologische Studien bestätigen, dass auch Ausdrücke, die einst als nicht-rassistische Ersetzungen rassistisch gebrauchter Ausdrücke neu geschöpft wurden, mit der Zeit als Schimpfworte abwertend benutzt werden können und dann gibt es zwei Möglichkeiten:

     

    1) Einen neuen Ausdruck schöpfen.

    Das heißt dann, man muss sich vorwerfen lassen, Sprachpolizist zu sein, obwohl (auch wenn) man selbst gar keine Teilhabe an einem privatisierten Machtmonopol hat und die privaten Sprachpolizisten gemäß NetzDG ablehnt.

    Außerdem wird einem/r vorgeworfen, man würde Identitätspolitik betreiben, wobei genau dieser Vorwurf selbst auch Identitätspolitik ist, aber nicht als solche erkannt wird. Das entscheidende ist aber , ob es eine exlusionistische (rechte) oder inklusionistische (linke) Identitätspolitik ist. "Keine Identitätspolitik betreiben" heißt nur so viel wie rechte Identitätspolitik zu akzeptieren und linke zu diskreditieren, was selbst auch eine Identitätpolitik ist.

     

    2) Man kann versuchen, den abwertenden Gebrauch des Wortes aus der Sprache zu drängen.

    Dann bekommt man genau dieselben Vorwürfe wie im Fall 1) zu hören.

     

    Auf der Ebene der Sprache Identitätspolitik ist unausweichlich, es aber den Unterschied zwischen bewußter und unbewußter Identitätspolitik, sowie ex- und inklusionistischer Identitätspolitik gibt.

     

    Abgesehen von der Sprache gibt es nur noch die Mystik wie im Zen.

    • 8G
      85198 (Profil gelöscht)
      @85198 (Profil gelöscht):

      Der letzte Satz war nicht abwertend gemeint.

       

      Es gibt aber einen kategorischen Unterschied zwischen sprachlichen Ersetzungen/Auslassungen rassistischer oder sexistischer Schimpfwörter auf der einen Seite und repräsentationsktischen Ersetzungen (wie ...*innen) auf der anderen Seite.

      Wie auch immer man eine Einordnung gemäß der Hautfarbe sprachlich repräsentiert, sie wird immer eine Einordnung gemäß der Hautfarbe bleiben, solange keine Identität repräsentiert isr, die dieser Einordnung widerstrebt.

       

      Genau das leistet auf dem Topos der Sexualität der Asterisk (das *), weil er auch auf Asexualität hinweist und damit darauf, dass die Unterscheidung sexuell / asexuell basaler ist als die Unterscheidung zwischen Mann und Frau (und Hermaphroditen). Diesen Hinweis nicht nur in der Schrift, sondern auch explizit in der Sprache zu repräsentieren, sehe ich als große philosophisch-literarisch-politische Aufgabe unserer Zeit an.

       

      Auf den Topos der Hautfarbe übertragen heißt das, dass, um dem Dilemma immer neuer Sprachschöpfungen zu entgehen, eigentliche ein Element repräsentiert sein müsste, von dem nicht klar ist, ob es "weiß" oder "PoC" ist.

      Da kommen neben Menschen, bei denen das Aussehen verschiedene Schlüsse zuläßt, auch etwa Juden in Frage, aber auch andere aus rassistischen Kalkülen heraus Diskiminierte, in erster Linie kranke und weniger leistungsfähige Menschen, denen soziale Teilhabe versagt bleiben.

      Damit würde das rassitische Ressentiment auch offengelegt werden, als etwas, das sich primär nicht oder nicht allein allein an der Hautfarbe, sondern am Nutzen eines Menschen für ein Kollektiv orientiert ("die Rasse", "die Nation", "den Wirtschaftsstandort" oder sogar "die Menschheit" und auch "die Klasse").

       

      Alles im allen also ein Plädoyer dafür, Antirassisimus als Repräsentationskritik zu begreifen. Michel Foucault, Jacques Derrida, Judith Butler u.a haben. dafür die Grundlagen gelegt.

      Mehr Mut also zu einer Identität, die die Logik des Ein- und Ausschlusses abweist.

  • 8G
    82732 (Profil gelöscht)

    Farbigen oder PoC...?

    Evtl. wäre dann auch noch mal zu erklären, was der Unterschied war zwischen der

    "Volksfront von Judäa" und "Judäische Volksfront" ... und welche von beiden die Spalter waren... ;-)

  • Man könnte derlei Geplänkel als Nebenkriegsschauplatz abtun, wenn nicht – wie es die Blutgefäße tun, die durch die unpigmentierte Haut der „Weißen“ hindurch sichtbar sind – von dahinter die Machtfrage durchscheinen würde, die grundlegend für alle Ungerechtigkeiten dieser Erde ist.







    Den Leuten, die sich anmaßen, im Namen einer Mehrheit aller Bewohner des Planeten festzulegen, welches Vokabular zu deren Bezeichnung Verwendung finden darf, geht es um nichts als ihren eignen Machtanspruch. Sie wollen sich das bloß nicht eingestehen. Sie geben an, dass sie im Interesse einer Mehrheit handeln, die sich nicht selbst artikulieren kann. Welch eine Anmaßung! Was für ein Stuss! Von mir aus auch: Was für ein „Balderdash!“







    Ich finde, werte*r FEMMETASTIQUE, statt Herrn Sotschek von oben her abzukanzeln (Ignoranz, Respektlosigkeit, unqualifizierte[] Beiträge[]), sollten Sie sich mal die Mühe machen mir zu erklären, was der Zirkus soll. Beeindruckt hat mich Ihre „Argumentation“ nämlich noch nicht. Ich glaube nicht daran, dass ein*e polierte*r Rechte*r zu einem/einer waschechten Linken mutiert, wenn er/sie/es mich im Namen des Fortschritts knebelt oder malträtiert.

    Kleiner Tipp: Es ist die Sprache, die er/sie/es spricht - und es ist jene Sprache, die er/sie/es zu unterdrücken sucht.

     

    Kommentar bearbeitet. Bitte halten Sie sich an die Netiquette.

    Die Moderation

    • @mowgli:

      Die unpigmentierte Haut der Weißen? Sie meinen wohl Albinos. Und die können auch schwarz sein.

  • Der Autor dokumentiert hier seine Ignoranz. Darüber hinaus zeugt der Artikel von seiner Respektlosigkeit. Er möge sich doch bitte über den Unterschied zwischen colored und people of color sowie die Geschichte dieser Bezeichnungen informieren und sich dann bitte noch in das Thema Geschlecht (jenseits von Zweigeschlechtlichkeit) einlesen.

    Und bitte bis Leser*innen vor seinen unqualifizierten Beiträgen verschonen.

    Fragt sich: Gibt es eigentlich keine Redaktion? Oder ist die ebenso uninformiert?

    • @Femmetastique:

      Der Autor hat Recht und Sie beweisen es, da Sie noch nicht einmal in der Lage sind einen deutschen Begriff für 'colored' resp. 'people of color' zu verwenden. Geben Sie mir bitte einen Begriff, der nicht sofort die Dichotomie 'Weisse' und 'Alle Anderen' (Farbige, PoC oder wie auch sonst das Etikett lautet) unterstreicht. Was soll ich mir unter einem Farbigen/PoC denn vorstellen? Ein Smartie-Smiley? Und wer nimmt diese im Grunde rassistische Unterteilung vor? Sie? Schauen Sie sich die Leute an und entscheiden dann das ist ein PoC und die hier ist eine Weisse?