piwik no script img

Stefan Alberti wundert sich, dass weder eine Straße noch ein Plätzchen an Benno Ohnesorg erinnertShakespeare darf ruhig mal Platz machen

Erinnerung an Ohnesorg Foto: Reiss/ap

Wenn man aus dem Südwesten auf ruhigem Weg via Teltowkanal zur taz radeln will, kommt man an einem Lichterfelder Neubaugebiet im sogenannten Schweizer Viertel vorbei. Mehrere Straßen sind dort nach Schweizerinnen benannt, die einem aber außer „Heidi“-Autorin Johanna Spyri trotz aller Schweiz-Affinität erst nach Wikipedia-Lektüre etwas sagen.

Klar, muss wohl so sein, nach den wirklich Bekannten, vor allem denen, die für Berlin eine Rolle spielten, sind längst Straßen und Plätze benannt, also mussten die Schweizerinnen ran. Könnte man meinen. Stimmt aber nicht, wie man jetzt wieder in der Wochenzeitung Das Parlament nachlesen kann. Die ist jetzt wie die Schweizerinnen auch nicht wirklich weithin bekannt. Aber ein Interview mit Wolfgang Wieland, dem früheren Grünen-Parlamentarier und Kurzzeit-Justizsenator, ändert das für den Moment. „Das ist schon ein starkes Stück, dass es das noch nicht gibt“, sagt der Grüne nämlich der Zeitung, die vom Deutschen Bundestag herausgegeben wird.

Was es noch nicht gibt? Noch nicht mal ein paar Quadratmeter, die an einen wirklich bekannten Namen erinnern, an einen, der mit den Begriffen „Schah-Besuch“ und „Prügel-Perser“ eng mit der deutschen Nachkriegsgeschichte verbunden ist: Benno Ohnesorg, der mit 26 Jahren am 2. Juni 1967 bei der Demonstration gegen den Besuch des Schahs von Persien vom Polizisten Karl-Heinz Kurras erschossen wurde. Wieland war damals wie Ohnesorg unter den Demonstranten.

Es gab ja schon Versuche in der Bezirksverordnetenversammlung Charlottenburg-Wilmersdorf, einen Platz an der Deutschen Oper, wo Ohnesorg starb, nach ihm zu benennen. Dort gibt es seit 1990 zumindest ein Bronzerelief, das an seinen Tod erinnert. Grünen-Stadtrat Oliver Schruoffeneger thematisierte das vergangenes Jahr erneut: Aus dem Shakespeare-Platz südlich der Bismarckstraße sollte der Ohnesorg-Platz werden. Doch bislang wurde aus dem Ganzen nichts.

Wenn sich auf dem Weg über das Bezirksparlament und das Bezirksamt nichts tut, dann müsste es vielleicht so laufen wie bei einer Umbenennung nach einem noch berühmteren Zeitgenossen Ohnesorgs, nämlich der Rudi-Dutschke-Straße in Kreuzberg vor dem taz-Haus. Dort brachten taz-Redakteure ein Bürgerbegehren auf den Weg, das in eine Abstimmung mit großer Mehrheit für eine Umbenennung eines Teils der Kochstraße mündete.

Was die Sache nach inzwischen über 50 Jahren noch drängender macht: Für Dutschke hatte es zuvor zumindest einen kleinen nach ihm benannten Weg auf dem Gelände der Freien Universität in Dahlem gegeben – für Ohnesorg hingegen gibt es noch nicht mal das. Wie sagt doch Wolfgang Wieland dazu völlig zu Recht? „Das ist schon ein starkes Stück.“

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen