: Hell und schnell
Kurz vor den Feiertagen darf es auch mal festlich werden. Und wie ginge das in Berlin bei Musik besser als mit den Berliner Philharmonikern? Keine Angst, eine Weihnachts-CD mit üppigen Arrangements von „Stille Nacht“ oder so haben sie nicht im Angebot. Dafür Neue Musik. Allerdings ein bisschen anders als gewohnt.
Ihre aktuelle Box ist John Adams gewidmet, der 2016 „Composer in Residence“ des Orchesters war. Und wenn es einen Romantiker unter den großen Namen der US-Komponisten des 20. und 21. Jahrhunderts gibt, dann ist das wohl John Adams. Wobei man mit dem Etikett vorsichtig sein muss. Wie es überhaupt bei Adams schwierig ist, ihn genau einzuordnen. Es gab mal eine Phase bei ihm, da hat er viel mit den Wiederholungsmustern der Minimal Music gearbeitet. Davor hielt er es mit John Cage und dessen aufmüpfigem Verständnis von Tonkunst.
In den achtziger Jahren kam eine neue Note hinzu, die stark an das Vokabular der Romantik erinnert. Seither geht es bei Adams vorwiegend tonal und harmonisch zu. Was in Deutschland, zumindest in Neue-Musik-Zirkeln, immer noch provozieren kann – in den USA provoziert er mehr mit den politischen Inhalten insbesondere seiner Bühnenwerke.
Adams ist in seiner Musik eben kein Parteigänger. Kein Avantgardist um jeden Preis, kein Reaktionär der Rückbesinnung auf Tugenden alter Meister, sondern jemand, der sich die Freiheiten nimmt, die ihm am passendsten scheinen. Seine „Harmonielehre“ von 1985, mit der die Box eröffnet, ist ein wuchtiges Orchesterstück, in dem Repetition und, nun ja, Romantik, eine eigene Verbindung eingehen.
Eine ziemlich großartige sogar. Die Berliner Philharmoniker, in diesem Fall von Adams selbst dirigiert, machen mit ihrem transparent-brillanten Klang deutlich, dass es keine „alte“ Musik ist, die sie darbieten. Desgleichen in seinem treffend betitelten „Short Ride in a Fast Machine“ unter Alan Gilbert. Der scheidende Chefdirigent Simon Rattle steuert eine nuancierte Einspielung des monumentalen, stilistisch offenen Passionsoratoriums „The Gospel According to the Other Mary“ von 2012 bei.
Gut gegen Vorurteile im Kopf. Und damit durchaus politisch.
Tim Caspar Boehme
Berliner Philharmoniker: „The John Adams Edition“ (Berliner Philharmoniker Recordings)
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