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Zwangsräumung indonesischer BauernLandebahn statt Reisfelder

In Indonesien wird der Bau eines internationalen Flughafens vorangetrieben – ohne Rücksicht auf die örtliche Bevölkerung.

Bald ist hier alles asphaltiert Foto: imago/Mark Wunsch

BREMEN taz | Im Landkonflikt um den Neubau des internationalen Flughafens der indonesischen Stadt Yogykarta kommt es seit Wochenbeginn zu Zwangsräumungen und Gewalt von staatlichen Sicherheitskräften gegen Dorfbewohner und Aktivisten. Am Dienstagmorgen standen die Anwohner mehreren Bulldozern und Hundertschaften von Polizisten gegenüber. Zuvor war ihnen versichert worden, nur bereits für die Baustelle frei gegebene Grundstücke würden planiert werden.

Die Realität sah anders aus: Die Bulldozer stießen auf Land mit bewohnten Häusern vor, rissen Wände ein, fällten Bäume. „Wir wurden von den Sicherheitskräften eingekesselt“, erzählte der Anwohner Fajar dem indonesischen Onlineportal Tirto. „Ich sagte ihnen: Das ist mein Land, das sind meine Bäume. Aber ich bekam keine Antwort.“

Fajar gehört zu den 250 BäuerInnen im Landkreis Kulonprogo, die sich weigern, das Land ihrer Vorfahren für den Flughafenbau zu verkaufen. Der Streit besteht seit Jahren. Zahlreiche Vertreter der Zivilgesellschaft unterstützen die Anwohner. Vor dem Bulldozer-Einsatz waren zwölf AktivistInnen mittels Polizeigewalt, durch die mehrere Menschen verletzt wurden, in Gewahrsam genommen worden.

Nachdem den aus Yogyakarta angereisten Studierenden nichts vorgeworfen werden konnte, wurden sie am späten Abend wieder entlassen. Auf ihren konfiszierten Mobiltelefonen und Kameras hätten die Beamten jedoch alle Aufnahmen vom Ort des Geschehens gelöscht, so die AktivistInnen.

Neuer Flughafen für noch mehr Touristen

Das Sultanat Yogyakarta im Herzen der indonesischen Insel Java kann schon jetzt über Touristen nicht klagen. Am Flughafen Adisucipto am östlichen Stadtrand landen jährlich mehr als sieben Millionen Passagiere. Die über 1000 Jahre alten Tempel Borobudur und Prambanan in der Nähe Yogyakartas sind, ebenso wie der Sultanspalast im Herzen der Stadt, berühmte Reiseziele. Doch die Regierung möchte Tourismus und Infrastruktur ausbauen und hat ein massives Entwicklungsprogramm aufgelegt.

Yogyakartas Flughafen ist dafür zu klein. Ursprünglich ausgelegt war er lediglich für 1,6 Millionen Passagiere. Deshalb legten Anfang 2017 Präsident Joko Widodo und Yogyakartas Gouverneur und Sultan, Hamengkubuwono X., den Grundstein für ihr neues Megaprojekt, das sie auf den Namen NYIA tauften.

Der New Yogyakarta International Airport soll bis 2019 fertig gestellt sein und eine Kapazität für jährlich 14 Millionen Passagiere bieten. Der Sultan/Gouverneur von Yogyakarta hatte zuvor eine Fläche von rund 600 Hektar für den Flughafenbau in fünf Dörfern im Landkreis Kulonprogo südwestlich von Yogyakarta bestimmt.

Das Areal ist jedoch fruchtbares Landwirtschaftsgebiet, das die Ernährung vieler Menschen sichert. In einem Dokumentarfilm der Rechtshilfeorganisation LBH sieht man Bauern inmitten ihrer grünen Felder und Gemüsebeete „Die Regierung schert sich nicht um die kleinen Leute“, sagt die Reisbäuerin Wagirah aus einem der betroffenen Dörfer weinend vor laufender Kamera.

Regionale Stimmen ungehört

„Unsere Erde ist fruchtbar, was auch immer wir anbauen, es wächst“, so auch Agus Widodo, ein Gemüsebauer. Zwar wurde den Bauern Geld für ihr Land angeboten, doch „Geld macht nicht glücklich“, weiß Bauer Fajar Ahmadi. „Es wird ausgegeben und dann ist es weg. Unser Land hingegen kann auch noch unsere Enkel ernähren.“

Der Flughafen, betrieben vom Staatskonzern PT Angkasa Pura, ist eines von 248 Projekten von „nationalem strategischen Interesse“, die mit Hilfe eines Präsidentenerlasses schnell vorangetrieben werden sollen. „Wessen Interesse?“, fragen sich die Anwohner. Der Planungsprozess habe ohne sie statt gefunden. Außerdem kritisieren sie die Umweltverträglichkeitsprüfung für den Flughafen, die erst ausgestellt wurde, nachdem die Bauarbeiten schon begonnen hatten.

Eigentlich müsste es umgekehrt sein. Die Stimmen der Wissenschaftler, die den Flughafenbau nahe der Südküste Javas wegen der Gefahr von Tsunamis ablehnten, fanden offenbar ebenfalls kein Gehör.

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