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Von den vielen Berlinalen zur einen Berlinale?

Eine Diskussion in Berlin, „Filmfestivals heute“, konzentrierte sich auf die Debatte über die Zukunft der Berliner Filmfestspiele

Von Tim Caspar Boehme

Kirsten Niehuus war nicht da. Die Geschäftsführerin der Filmförderung des Medienboards Berlin-Brandenburg hatte sich aus persönlichen Gründen entschuldigen lassen. Sie hätte sonst am Montag im Berliner Haus der Kulturen der Welt mit auf dem Podium gesessen, um über „Filmfestivals heute“ zu diskutieren.

Im Vorfeld dieser Debatte, zu der die Kulturstaatsministerin Monika Grütters geladen hatte, war allerdings so ausführlich über Kirsten Niehuus geschrieben worden, dass man ihre Abwesenheit nachvollziehen konnte. Seit am 24. November eine Petition von derzeit 81 deutschen Regisseuren zur Neubesetzung der Berlinale-Direktion veröffentlicht wurde, hatte sie in der Kritik gestanden. Niehuus, hieß es, sei Grütters’Wunschkandidatin für den Posten nach 2019, wenn der Vertrag des amtierenden Berlinale-Chefs Dieter Kosslick ausläuft. Dass Niehuus wie Kosslick aus der Filmförderung kommt, sorgt für Skepsis.

Grütters stellte im Eingangsstatement vorsorglich klar, dass es in der Berichterstattung einige Falschmeldungen gegeben habe. Weder werde „eine Frau“ (vulgo Niehuus) als Nachfolgerin gesucht noch sei Kosslick nach 2019 als Person „gesetzt“ – ihre Erwiderung auf Spekulationen, Kosslick könne sich mit dem neu zu schaffenden Amt eines Präsidenten über seinen Vertrag hinaus an die Berlinale binden.

Als Ersatz für Niehuus saß Bettina Reitz, die Präsidentin der Hochschule für Film und Fernsehen München, auf dem Podium, neben dem Regisseur Christoph Hochhäusler, dessen Kollegen Volker Schlöndorff, dem Produzenten Thomas Kufus und Christiane Peitz, Leiterin des Tagesspiegel-Feuilletons. Hochhäusler, einer der Unterzeichner der Petition, verlas zunächst ein Impulsreferat. Zumindest zur Hälfte. Die andere Hälfte übernahm, im Wechsel, sein Kollege Thomas Heise, den Hochhäusler eigens auf die Bühne gebeten hatte.

Das Duo wies mit dieser Geste auf einen Missstand des Podiums hin: Dort saßen rein „westdeutsch sozialisierte“ Gesprächspartner. Heise ist gebürtiger Ostberliner. Gemeinsam beklagten sie die „Vernunft“, mit der Programm­entscheidungen bei der Berlinale getroffen würden, sie zählten dazu Sachzwänge und politische Rücksichtnahmen auf. Sie wünschten sich ein Festival, das sich konzentriert, statt alles zu zeigen, das Brüche und Widersprüche betone, statt alles miteinander verbinden zu wollen. Eines, das sich „entschlacke“.

Dem widersprach Christiane Peitz. So wie Hochhäusler es dargestellt habe, werde gar nicht bei der Berlinale ausgewählt. Auch sei das Programm nicht so schwach wie kritisiert. Im Wettbewerb liefen genau die mutigen, kleinen Filme, die gewünscht seien. Sie nannte etwa den diesjährigen Gewinner-Film „Körper und Seele“ von Ildíko Enyedi. Zudem wollte sie wissen, was mit entschlacken gemeint sei.

Hochhäusler veranschaulichte seinen Punkt: Man könne auf der Berlinale zwar viele tolle Filme entdecken, nur habe das, was der eine dort erlebe, im Zweifel wenig mit dem Festival zu tun, das ein anderer sehe. Volker Schlöndorff sah das Problem grundlegender. „Wir haben keine Kriterien mehr dafür, was ein guter Film ist.“ Das mache es immer schwieriger für Festivals zu entscheiden, was sie abbilden wollen. Einen Vorschlag zur Lösung des allgemein beklagten ghettoartigen Auftritts des deutschen Films hatte er auch: Man könne sich ein Beispiel an Cannes nehmen, wo sich die vom Festival unabhängige „Quinzaine des réalisateurs“ gebildet habe. Das würde eine größere Aufmerksamkeit bringen. Im Übrigen sei die Berlinale auch vor Kosslick kein günstiger Ort für den deutschen Film gewesen.

Erwartungen an die neue Leitung der Berlinale gab es einige. Sie müsse die Berlinale „neu erfinden“ können, so Hochhäusler. Sie müsse „viel Zeit zum Reisen“ haben, um bei Regisseuren Filme aushandeln zu können, so Peitz. Reitz fand, dass auch Filmkritiker in der Lage wären, den Posten zu bekleiden.

Viel transparenter wurde die politische Entscheidungsfindung zwar nicht, aber dafür wurden die Ansprüche an die Politik deutlicher vorgetragen. Bleibt der Befund, dass 81 höchst unterschiedliche Regisseure sich nach wie vor um die Zukunft der Berlinale sorgen. Man sollte sie ernst nehmen.

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