Lars Penning Filme aus dem Archiv –frisch gesichtet:
Filmregisseur Sullivan (Joel McCrea), bislang nur mit Musicalunterhaltung vertraut, hat eine neue Berufung gefunden: mit krassem Realismus ein wahres Bild vom Elend des Menschen zu zeichnen. Nur hat er von Armut überhaupt keine Ahnung und beschließt deshalb, in der Kleidung eines Tramps und mit nur zehn Cents in der Tasche auf Walze gehen. Mit dem gutgemeinten Selbstversuch beginnt eine der schönsten Komödien des klassischen Hollywood-Kinos: „Sullivan’s Travels“ (1941) des Autors und Regisseurs Preston Sturges, der sich hier mit absurdem Spott über Sozialkritik in der Traumfabrik lustig macht. Denn als Sullivan durch einen Zufall wirklich ins Elend gerät, muss er zu seiner Überraschung feststellen, dass die Armen vom Kino lediglich ein wenig Ablenkung von ihrem grauen Alltag erwarten. Das ist natürlich eine recht schamlose Apologie eskapistischer Unterhaltung, allerdings in unwiderstehlicher komödiantischer Verpackung (OF, 10. 12., 12. 12., 19.30 Uhr, Arsenal 2).
Ebenfalls ein Meisterwerk ist „The Red Shoes“ (1948) von Michael Powell und Emeric Pressburger, die in ihrem Film einen radikalen Kunstbegriff vertreten: Der Schaffung des Schönen gilt es alles zu opfern – im Zweifelsfall auch die Liebe und sogar das Leben. Sinnbild dafür ist das als freie Bearbeitung des Märchens von Hans Christian Andersen entstandene Ballett von den roten Schuhen, das im Mittelpunkt des Films steht: Die verzauberten roten Schuhe tanzen immer weiter, auch als ihre Trägerin längst müde geworden ist. Die exzellenten Kostümbild- und Szenenbildentwürfe des Ausstatters Hein Heckroth sind in der Ausstellung des Filmmuseums Potsdam zum Tanzfilm zu sehen; eine Einleitung zu dem fantastischen Technicolor-Film hält Jan-Christopher Horak, der Leiter des UCLA Film & Television Archive (OF, 9. 12., 19 Uhr, Filmmuseum Potsdam).
Horak hat auch die Filmreihe „A City Called Home – Zehn Filme aus Los Angeles“ kuratiert, in der Robert Aldrichs Film noir „Kiss Me Deadly“ (1955) zum Einsatz kommt: Ralph Meeker tapert als Detektiv Mike Hammer stoisch durch einen unverständlichen Fall um einen Koffer mit einem glühenden Atomball, und das ist mindestens so schräg wie Aldrichs Inszenierung. Die französischen Novelle-Vague-Regisseure liebten diese Genre-Reflexion, in der es der dämliche Hammer zudem mit moderner Kunst, Lyrikbänden und Opernschallplatten zu tun bekommt – insbesondere der Einfluss auf das Kino von Jean-Luc Godard wird hier sehr deutlich (OF, 11. 12., 20 Uhr, Arsenal 1).
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen