Umstrittene Unterkunft für Geflüchtete: Neue Adresse: Tempelhofer Feld
Die ersten Bewohner ziehenin die Tempohomes auf dem Tempelhofer Feld. Doch die Zukunft der 17 Millionen Euro teuren Einrichtungen bleibt ungewiss.
Ein Kaltluftentstehungsgebiet sei das Tempelhofer Feld, hieß es einst im Vorfeld des Volksentscheids gegen die Bebauung der riesigen Freifläche. Am Sonntagmittag, beim Tag der offenen Tür in den neuen „Tempohomes“, die das Landesamt für Flüchtlingsangelegenheiten (LAF) am Rande des Felds eröffnet hat, machen manche Besucher schmerzhafte Bekanntschaft mit diesem Mikroklima: Der Wind zieht schneidend kalt durch das Containerdorf, als wäre es eine sibirische Bergarbeitersiedlung.
Denkt man sich die Kälte einmal weg, kann man sich durchaus vorstellen, dass Menschen sich hier zumindest eine Zeitlang wohlfühlen können. Nicht gerade, weil die aneinandergereihten Container besonders wohnlich wären – zumindest im unbewohnten Zustand sind sie es ganz sicher nicht. „Schau mal, die Betten stehen direkt nebeneinander, und die Neonröhre gleich obendrüber“, sagt eine Anwohnerin zu ihrem Begleiter, der auch sehr skeptisch dreinblickt.
Zwei Spinde und zwei Regale, einen Tisch, zwei Stühle und einen Kühlschrank gibt es pro Zimmer, das Ganze zweimal pro Container, in der Mitte eine Kochnische, eine Dusche und ein Klo. Auch die Hannah-Montana-Bettwäsche, mit der zwei Betten bezogen sind – wohl um einen der Räume als Kinderzimmer zu deklarieren –, macht es nicht unbedingt besser.
Positiver Gesamteindruck
Es ist vielmehr die weitläufige Anlage mit Feldblick, die den positiven Gesamteindruck hinterlässt. Zwischen den Wohnzeilen, den Gemeinschaftsräumen, dem Kinderbereich und dem Verwaltungstrakt gibt es eine Art erhöhte Großterrasse mit Bänken und Sonnensegeln, es gibt ein Basketballfeld, Spielplätze und Hochbeete mit kleinen Bäumen. Direkt nebenan hat der Zirkus Cabuwazi seine Zelte aufgeschlagen, hier sollen die Kinder und Jugendlichen aus den Tempohomes mitmachen und Anschluss an Gleichaltrige aus den umliegenden Kreuzberger, Tempelhofer und Neuköllner Kiezen finden.
„Sozialräumliche Kontinuität“ sei für das Ankommen und die Integration der Geflüchteten sehr wichtig, sagt auch die Tempelhofer Bezirksbürgermeisterin Angelika Schöttler (SPD), die zusammen mit LAF-Chefin Claudia Langeheine und Integrationsstaatssekretär Daniel Tietze (Linke) eine erste Gruppe von Interessierten durch die Siedlung führt. Sie sei froh, so Schöttler, dass die Menschen aus Notunterkünften wie dem Hangar 2 des Flughafengebäudes in der Gegend blieben und auch die Betreuung durch die Ehrenamtlichen-Initiativen einfach weitergeführt werden könne. „Und es war wirklich höchste Zeit, dass die Notunterkunft in den Hangars endlich geräumt wird.“ Hangar 2 solle künftig nur noch als „Erstanlaufstelle“ für zwei bis drei Tage dienen, danach kämen die Geflüchteten zunächst in einer der rund zehn Erstaufnahmeeinrichtungen.
Endlich wieder selber kochen
Der entscheidende Unterschied zwischen einer Gemeinschaftsunterkunft, wie sie die Tempohomes auf dem Tempelhofer Feld darstellen, und einer Erstaufnahmeeinrichtung: In Letzterer werden die Menschen komplett versorgt, sie haben aber auch viel weniger Freiheiten, etwa was Nachtruhe oder Besuchsmöglichkeiten angeht. In den Containern können die Geflüchteten Besuch wie in einer eigenen Wohnung empfangen. Matthias Nowak von der Tamaja GmbH, die die Tempohomes betreibt und auch bislang in den Hangars tätig war: „Die Leute freuen sich, dass sie endlich wieder selbst kochen können.“
Mit den rund 150 Menschen, die noch im Hangar leben – und das teilweise schon seit zwei Jahren – geht es am heutigen Montag los, bis Jahresende sollen rund 400 Plätze belegt werden. 650 Plätze gibt es zurzeit, nach Fertigstellung eines weiteren Bauabschnitts wird die Kapazität am Ende 1.024 Plätze betragen. Gleichzeitig leben zurzeit immer noch fast 5.000 Geflüchtete in Notunterkünften. Zehn Tempohomes sind schon jetzt in Betrieb, sieben weitere befinden sich noch im Bau.
Bei der Führung durch die Containersiedlung am Sonntagmittag überwiegt die Skepsis. Die Initiative „100 Prozent Tempelhof“ konfrontiert Politik und Verwaltung mit der Tatsache, dass die nagelneuen, 17 Millionen Euro teuren Einrichtungen schon in anderthalb Jahren wieder abgebaut werden müssen. Dann endet nämlich die Ausnahmegenehmigung für die Nutzung des per Volksentscheid von jeglicher Bebauung freizuhaltenden Feldes. „Das ist doch ein totales Unding“, sagt Aktivist Gernot Ziska, „hätten die die Container hundert Meter weiter auf dem betonierten Vorfeld aufgestellt, könnten sie da einfach stehen bleiben.“
Warum das nicht geschehen ist? Der Vorgängersenat hat es so entschieden, lautet die etwas verdruckste Antwort. Vielleicht entscheidet ja auch Rot-Rot-Grün am Ende, die Ausnahmegenehmigung zu verlängern? An diesem Sonntag kann das niemand vorhersagen. Konfliktpotenzial ist hier jedenfalls ausreichend vorhanden.
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