Auch Terroristen bleiben Bürger

Einen deutschen „Pass auf Probe“ für potenzielle Terroristen hält NRW- Innenminister Wolf (FDP) für bedenklich. Der Vorstoß seines baden-württembergischen Kollegen sei rechtlich nicht umsetzbar

VON NATALIE WIESMANN

Für die neue Landesregierung hat der Kampf gegen Terrorismus rechtliche Grenzen: Der Vorschlag des baden-württembergischen Innenministers Heribert Rech (CDU), bereits Eingebürgerte bei Terrorismusverdacht den deutschen Pass wieder zu entziehen, wird von NRW-Innenminister Ingo Wolf (FDP) abgelehnt. Sein Sprecher Ludger Harmeier glaubt, dass die Forderung keiner rechtlichen Prüfung standhalten kann: „Der große Teil der Betroffenen wäre dann staatenlos.“ In Deutschland darf aber niemand ausgebürgert werden, der keine andere Staatsbürgerschaft hat – eine Situation, die wegen der im Regelfall verbotenen Doppelstaatigkeit auf fast jeden Eingebürgerten zutrifft. Man sei bereit, „alle Möglichkeiten gegen den Terrorismus auszuschöpfen“, so Harmeier, doch die Umsetzung des baden-württembergischen Vorschlag sei bedenklich.

Auf der letzten Innenmisterkonferenz der CDU-regierten Länder im Juni habe Rech bereits den „Pass auf Probe“ vorgeschlagen, weiß Harmeier. Es sei vereinbart worden, die Idee rechtlich überprüfen zu lassen. Doch bevor dies geschehen ist, tauchte die Forderung jetzt in einem internen Papier des baden-württembergischen Innenministeriums wieder auf. Rech begründet darin seinen Vorschlag damit, dass ein Großteil der Terrorverdächtigen bereits einen deutschen Pass besitzen. Potenzielle Terroristen würden die Einbürgerung nutzen, um „ausländerrechtliche Restriktionen“ zu umgehen.

Bereits heute gibt es die Möglichkeit, Eingebürgerten den Pass zu entziehen, wenn der Bewerber bei der Einbürgerung nicht die Wahrheit gesagt hat. Das betrifft aber nur Fälle, die sich vor der Einbürgerung des Terrorismus verdächtig gemacht haben. Im Vorschlag von Rech sollen auch diejenigen ausgebürgert werden dürfen, die nach ihrer Einbürgerung in Terrorismusverdacht geraten. Dass der Entzug der deutschen Staatsbürgerschaft in Deutschland nur dann möglich ist, wenn die Person nicht staatenlos wird (Artikel 16 GG), hat seinen Grund: Die Ausbürgerung ist ein Zwangsmittel, dass vom NS-Regime einst gegen Juden und von der DDR gegen interne Kritiker eingesetzt wurde.

Die laufende Ausbürgerung von Deutschtürken, die nach 2000 ihren alten Pass wieder angenommen haben, konnte Artikel 16 nicht verhindern: Nach deutschem Recht seien die Betroffenen nie deutsche Bürger gewesen, weil bei der Annahme einer anderen Staatsbürgerschaft die deutsche automatisch erlischt – so argumentierte NRWs Ex-Innenminister Behrens (SPD), als er vor der Landtagswahl hunderte von Deutschtürken aus dem Wahlvolk aussiebte.

Weder die Partei, noch die Landtagsfraktion der CDU will sich zum Vorstoß des baden-württembergischen Innenministers äußern. Tayfun Keltek, Vorsitzender der kommunalen Migrantenvertretungen in NRW, kann über einen Pass auf Probe nur den Kopf schütteln: „Das ist nicht nur rechtlich, sondern auch menschlich bedenklich.“ Mit einer deutschen Staatsbürgerschaft auf Bewährung schaffe man eine Zwei-Klassen-Gesellschaft, die „nicht im Sinne der Demokratie“ sein könne. „Weil das dann vor allem Menschen islamischer Herkunft betrifft, wird das die Vorurteile gegen sie verstärken“, so Keltek.