das portrait: Das verbale Foul der Lena Goeßling
Sie kann frech und schnippisch sein. Aber wirklich unfreundlich erlebt man Lena Goeßling selten. Dass sie sich als eine der besten deutschen Fußballfrauen gerade einen öffentlichen Wutanfall erlaubt hat, liegt an der Bundestrainerin. Steffi Jones hat Goeßling für das Länderspiel am Freitag gegen Frankreich nicht berücksichtigt. Die Spielerin des VfL Wolfsburg findet das respektlos. Die Trainerin vom Deutschen Fußball-Bund nennt ihre Entscheidung unpopulär, aber gerechtfertigt. Beide müssen damit leben, dass ihr Streit dem erfolgsverwöhnten Frauenfußball als Zickengehabe ausgelegt wird.
Darf man der Bundestrainerin öffentlich die Meinung sagen? Goeßling hat das ausgesprochen, was hinter der Hand viele Spielerinnen denken. Vor Jones hatten alle Respekt, als sie noch eine sehr erfolgreiche Aktive war. Als Bundestrainerin steckt sie in der Krise. Kürzlich haben die deutschen Frauen mit 2:3 gegen Island verloren und ihre gute Ausgangsposition in der Qualifikation für die Weltmeisterschaft aufs Spiel gesetzt. Für diese Partie hatte Jones die erfahrene Stammtorhüterin Almuth Schult (Wolfsburg) durch die unsichere Laura Benkarth (Freiburg) ersetzt. Das Ergebnis waren Fehler und Gegentore. Jones hat seitdem einen schweren Stand. Zu ihren Kritikerinnen gehört auch Goeßling.
Goeßling könnte sich darauf beschränken, nur noch mit dem VfL um Titel zu kämpfen. Aber die WM 2019 in Frankreich wäre ein würdiger Abschied ihrer bemerkenswerten Karriere. Seit 2007 hat die 31-Jährige 97 Länderspiele absolviert. Sie ist Europameisterin und Olympiasiegerin. Solch einer Leistungsträgerin vorzuwerfen, ihr Defensivverhalten sei nicht mehr ausreichend, klingt deftig. Jones beweist ein sicheres Gespür für Fettnäpfchen. Es wäre keine Überraschung, wenn sich nach der Partie gegen Frankreich eine Nachfolgerin oder ein Nachfolger für die Bundestrainerin positioniert.
Was auch immer der DFB entscheidet: Er hat mit Goeßling vorerst eine wichtige Vorzeigefigur verloren. Sie gehört zu den Frontfrauen der Nationalmannschaft und war deshalb zuletzt auch in deren PR-Strategie zentral eingebunden. Diese Rolle muss nun neu besetzt werden. Einerseits ist Goeßling derzeit keine Nationalspielerin mehr. Andererseits hat sie die wichtigste Trainerin des DFB kritisiert und damit gegen den Verband aufgemuckt.
Christian Otto
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