piwik no script img

Beispiel Hessen: Wie soll man sich da zurechtfinden?

In dem Bundesland herrscht eine gewaltige Vielfalt an Schultypen und Betreuungsformen. Nicht einmal jede zehnte Schule gilt als echte Ganztagsschule. Für die Eltern ist das keine einfache Sache

Aus Frankfurt am Main Christoph Schmidt-Lunau

Wer in Hessen auf die Betreuung seiner Kinder nach der Schule angewiesen ist, muss sich bislang in einem Dickicht zurechtfinden. Das hessische Kultusministerium unterscheidet vier Modelle: Unter „Profil 1 und 2“ werden die Schulen geführt, die mindestens an drei oder fünf Tagen eine zusätzliche Betreuung von mindestens sieben Stunden anbieten.

Nicht einmal jede zehnte Schule in Hessen gilt als „echte“ Ganztagsschule (Profil 3), deren Konzept vormittags und nachmittags verbindlich Unterricht und Betreuung vorsieht. Fragt man die Eltern, so wünscht sich allerdings eine große Mehrheit genau diese Schulform. Unter der Überschrift „Pakt für den Nachmittag“ gibt es an jeder siebten Schule in Hessen freiwillige Bildungs- und Betreuungsangebote, für die Land und Schulträger verantwortlich sind (Profil 4). Daneben gibt es vielerorts immer noch den traditionellen „Hort“, den die Kinder nach der Schule besuchen können.

Kommt drauf an, je nachdem

Welche Betreuung vor Ort jeweils möglich ist, hängt sehr stark von den Schulträgern ab, also von Landkreisen, Städten und Gemeinden. Außerdem engagieren sich in diesem Bereich Freie Träger – also Kirchen, Wohlfahrtsverbände und Vereine. Wie viel die Eltern bezahlen müssen, variiert ebenfalls und hängt beispielsweise stark vom Budget der jeweiligen Kommunen ab. Um es hessischen KinderbetreuerInnen leichter zu machen, ihre Erfahrungen auszutauschen, hat einer von ihnen, Tibor Handke, eigens eine Internetplattform eingerichtet. Handke schreibt: „Wohl in keinem Bereich der Kinderbetreuung herrscht eine derartige Vielfalt (Chaos?) wie bei den Schulkindern. Ob gesetzliche Grundlage, Träger, Schul-Fördervereine oder andere Eltern-/Vereine, Träger der freien Wohlfahrt oder Modell (Hort, Schülerladen, Schulbetreuung, Ganztagsschule), alles scheint möglich.“ Er fragt: „Ist auch alles sinnvoll?“

Die Landtagsopposition hat daran erhebliche Zweifel. So kritisiert der bildungspolitische Sprecher der SPD, Christoph Degen, die nach seiner Einschätzung „schleppende Einführung der Ganztagsschule“, vor allem bei den Grundschulen. „Die Ganztagsbetreuung passt offenbar nicht zum Gesellschaftsmodell der CDU“, unterstellt Degen.

Die Grünen, die Hessen seit vier Jahren mit der CDU regieren, verweisen dagegen auf deutlich verbesserte Betreuungs- und Bildungsangebote. Grünen-Fraktionschef Mathias Wagner bilanziert: „Das Tempo beim Ausbau der Ganztagsschulen hat sich mehr als verdoppelt. Durch den ‚Pakt für den Nachmittag‘ ermöglichen wir schrittweise an allen Grundschulen ein verlässliches Bildungs- und Betreuungsangebot von 7.30 bis 17 Uhr.“ In anderen europäischen Ländern ist man längst weiter.

taz.de/wie-betreuen-andere

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen