Rechte Großdemo in Polen: No-Go-Area für Muslime und Homos
Niemand von der Regierung distanzierte sich von der rechten Großdemo in Warschau. Dafür werden 45 linke Gegendemonstranten festgenommen.
„Nicht islamisch, nicht laizistisch, Polen kann nur katholisch sein.“ Das ist eine der Parolen von Teilnehmern des sogenannten Unabhängigkeitsmarsches am Samstag in Warschau. Andere hielten schwarze Banner mit weißer Schrift: „Europa wird weiß sein oder entvölkert.“ Hinter ihnen Fahnen des ONR, des Nationalradikalen Lagers, einer rechtsextremen Organisation. Laut Polizei nahmen mehr als 60.000 Demonstranten am Marsch teil.
Rechtsextreme nicht nur aus Polen, sondern auch aus der Slowakei, Italien oder anderen europäischen Ländern sammelten sich am Nachmittag in der Warschauer Innenstadt nahe dem Kulturpalast. Das Wahrzeichen der Stadt ragt mehr als 200 Meter in den Himmel. Sie zündeten rote Fackeln und ließen Rauch aufsteigen: ein martialisches Bild. Der Anlass dafür ist eigentlich der nationale Unabhängigkeitstag, der Dzień Niepodległości, an dem die Polen der Wiedererlangung ihrer Staatlichkeit 1918 nach 123 Jahren der Teilungen durch Preußen, Österreich-Ungarn und Russland gedenken.
Es scheint jedoch, als könne nicht mehr die Rede sein von einem Feiertag für alle Polen. Einige Hauptstädter blieben aus Angst, angefeindet zu werden, zu Hause. In Facebook-Gruppen wurden Minderheiten, Muslime oder Homosexuelle, gewarnt, an diesem Tag auf die Straßen zu gehen. Der Expremierminister Donald Tusk, der im März gegen den Willen der polnischen Regierung als EU-Ratspräsident wiedergewählt wurde, nahm auf Einladung von Polens Präsident Andrzej Duda an den offiziellen Feierlichkeiten in Warschau teil.
Für viele Beobachter war dies ein hoffnungsvolles Zeichen, dass die beiden verfeindeten politischen Lager in Polen einen respektvollen Umgang miteinander finden können. Teile der nationalkonservativen Regierungspartei PiS (Recht und Gerechtigkeit) machen die liberalkonservative PO (Bürgerplattform) von Tusk direkt für den Tod des früheren Präsidenten Lech Kaczyński verantwortlich, der 2010 bei einem Flugzeugabsturz über dem russischen Smolensk ums Leben kam. Das Resultat: eine hasserfüllte politische Debatte.
Witze über mangelnden „Patriotismus“
Tusk sagte nach seiner Ankunft in Warschau, der Unabhängigkeitstag sei und werde ein Feiertag für alle Polen sein, nicht nur für eine Partei. Das Staatsfernsehen sah das offenbar anders: Tusk, der in einer der hinteren Reihen platziert wurde, erschien während der Kranzniederlegung und der Reden kaum im Bild. Rechte und regierungsnahe Kommentare versuchten Tusk lächerlich zu machen und warfen ihm fehlende „patriotischen Motive“ vor.
Neben den offiziellen Feiern und dem rechten Unabhängigkeitsmarsch gab es in Warschau noch weitere Veranstaltungen. So demonstrierten auf dem Schlossplatz Anhänger von KOD, dem Komitee zur Verteidigung der Demokratie, mit europäischen und polnischen Fahnen. An der Metrostation Politechnika startete eine antifaschistische Demonstration, die sich gegen den rechten Unabhängigkeitsmarsch richtete. Etwa 200 Polizisten begleiteten die Regenbogenfahnen schwenkenden Demonstranten. Später wurden 45 Demonstranten festgenommen.
Innenminister Mariusz Błaszczak sprach später von einer „guten Atmosphäre“ der Feierlichkeiten in Warschau. Es sei ruhig gewesen. Weder er noch andere Regierungsmitglieder oder Staatspräsident Andrzej Duda, der angesichts der politischen Konflikte immerhin versöhnliche Töne anschlug, verurteilten den rechtsextremen Marsch.
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