: Wir müssen reden
Der Autor Daniel-Pascal Zorn hat sein Buch „Mit Rechten reden“ beim Sozialen Friedensdienst vorgestellt und setzt auf eine neue Debattenkultur
Von Elisabeth Nöfer
Als wäre das Buch eigens dafür geschrieben worden: Ein Tumult
auf der 69. Frankfurter Buchmesse, kürzlich ausgetragen am Stand des neurechten Antaios-Verlags, hat nicht nur dem Verleger Götz Kubitschek öffentliche Aufmerksamkeit verschafft. Sondern auch einer Veröffentlichung mit dem Titel „Mit Rechten reden. Ein Leitfaden“. Darin plädieren die Autoren Per Leo, Maximilian Steinbeis und Daniel-Pascal Zorn für das Streitgespräch als Instrument der Demokratie. „Halt die Fresse!“, skandierten hingegen die GegendemonstrantInnen auf der Messe – bis die geplante Buchpräsentation des Verlags abgesagt wurde. Ein Sieg für die Demonstranten?
Nein, sagt Daniel-Pascal Zorn. Der Soziale Friedensdienst Bremen e.V. (sfd) hat den Autor am Donnerstag für ein Publikumsgespräch eingeladen. Zu Beginn zeigt Moderator Benjamin Moldenhauer einen Videomitschnitt des Buchmesse-Vorfalls. Denn hier zeige sich, dass die Verhinderung der Lesung eine Niederlage der Demonstranten gewesen sei, so Moldenhauer. Kritik oder Sprechverbote dienten den rechten Akteuren als Bestätigung dafür, dass man Opfer einer Meinungsdiktatur sei. Die empörte Reaktion der Öffentlichkeit ist dabei schon mit eingeplant. Es helfe den Rechten also noch, Wortergreifung zu verhindern, so lautet die zentrale Buchthese. Für die Rechten sei dann der Vorteil, dass man nicht mehr über Inhalte reden müsse.
Zorn warnt vor der Neuen Rechten. Was aber hilft gegen rechte Argumentationen? Weg von der Empörung, stattdessen ins Gespräch gehen, rät Zorn aus eigener Erfahrung. Denn er analysiert seit fünf Jahren auf Facebook rechte und linke populistische Diskursstrategien.
Als Philosoph glaubt Zorn an die Überzeugungskraft der Logik, jenseits von „ideologischen Verfestigungen“. Je sachlicher, desto weniger Angriffsfläche gäbe es für vorgefertigte rhetorische Strategien. Wichtig sei, zwischen Person und Argument zu unterscheiden, das entlaste die Diskussion. Konkret rät er, die Argumentation des Gegners ernst zu nehmen, Interesse zu zeigen und dann zu hinterfragen.
Doch es gibt auch Grenzen des Dialogs. „Mit gewaltbereiten Neonazis kann man nicht reden“, sagt Zorn. Mit allen anderen müsse man allerdings diskutieren. „Suche die Nähe von Menschen, die anders denken als du“, ist eine der im Buch aufgeführten „goldenen Regeln“. Doch ist das Gesprächsangebot nicht schon der erste Schritt zur Normalisierung rechter populistischer Rhetorik? Gibt man den Rechten und ihren Gedankengebäuden damit einen Raum? Im Buch heißt es, Gesagtes würde nicht allein dadurch auch gültig. Auch in der Diskussion entkräftet Zorn diesen Einwand. Die meisten Diskussionen fänden eher als kurzer Schlagabtausch statt, online oder im Alltag. Mit seinen Strategien und etwas Übung könne man diese gut entlarven.
Mit Rechten zu reden, stellt allerdings eine Herausforderung dar. In einem „Zwischenfazit“ berichtete Zorn auf seiner Facebook-Seite, hauptsächlich von ‚Linken‘ für das Buch angefeindet zu werden. Auch im sfd kritisiert ein junger Vertreter der Partei Die Linke die Thesen des Autors lautstark. Doch Zorn kommt schnell in Fahrt, man merkt ihm den geübten Logiker an: Genüsslich und systematisch dröselt er Argumente auf, nimmt sie auseinander und hinterfragt sie. Im Publikum stößt das auf Widerstand. „Jetzt nicht den Überheblichen spielen!“, ruft ein Mann empört. Als der Philosoph seine komplexe Argumentationskette dann wieder kunstvoll aufgelöst hat, erntet er überraschte Lacher. „Ja, halten sie dagegen!“, gesteht er dem jungen Mann am Ende zu. „Aber seien sie nicht vorhersehbar!“ Moralische Empörung sei an sich gut – nur dann nicht, wenn es der Person hilft, die man eigentlich kritisieren will.
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