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Nur für Paare mit Trauschein

Radio Bremen startet mit „Der Paartherapeut“ eine Hörspiel-Serie: In Folge eins glückt dem Sender ein leichtfüßiges Stück Radiokunst, ohne Neugier auf die Fortsetzungen zu wecken

Von Benno Schirrmeister

Das ist wirklich schön wirklich. Radikal unspektakulär beginnt das Hörspiel: Straßengeräusch, eine Autotür, und mit einer Stimme, als würde sie sich gerade anschnallen, fragt die Frau: „Wie heißt er nochmal?“, um, kaum die Antwort abwartend, ihrem Mann zu eröffnen, dass sie diesen Kranitz, stimmt ja, das war der Name, schon gegoogelt hat. Und dass der wohl früher Immobilienmakler gewesen sei.

„Ja und?“, kontert, ziemlich gereizt, ihr Partner, „und das disqualifiziert ihn oder was?!“ Und schon ist man, ohne auch nur ihren Namen zu kennen, mittendrin im Streit der Eheleute Marie Lagarde und Stefan Müller-Lagarde, der sich auf der anschließenden Autofahrt noch zuspitzt, fast zwangsläufig: „Derjenige, der am Steuer sitzt, richtet sich nach der Situation und fährt“, so hatte der Soziologe Niklas Luhmann einst erklärt, weshalb im Himmel geschlossene Ehen im Auto auseinandergehen, während der Beifahrer „ihn beobachtet“ und sich „von der Fahrweise behandelt“ fühlen müsse und diese „auf die Eigenschaften des Fahrers“ zurückführe. Eine knappe Minute, etliche ätzende Kommentare von Beifahrer Stefan und eine Schramme beim Einparken später beginnt die erste Sitzung der zwei bei Paartherapeut Klaus Kranitz, in der die Radiohörer mit den Zweien eine erste Sitzung verbringen werden.

Mit „Paartherapeut Klaus Kranitz – bei Trennung Geld zurück“ hat Radio Bremen erstmals eine Hörspiel-Serie produziert. Ihre erste Folge ist auf teils bezaubernd, teils quälende Weise realistisch. Entworfen haben sie Jan Georg Schütte und Wolfgang Seesko. Und am 13. November um 21.05 Uhr ist die Erstausstrahlung auf Radio Bremen 2, wobei die ARD-Anstalten gerade eine Erosion dieses Begriffs in Gang bringen, indem sie die Hörspiele in der neuen Online-Audiothek vorab veröffentlichen: Egal, was der Staatsvertrag dazu sagt, fürs Publikum ist das erst einmal angenehm.

Der Ehrgeiz, beim Launch der gemeinsamen Audiothek am 8. November als kleinste beteiligte Anstalt gleich mit etwas besonders Originellem vertreten zu sein, hätte leicht zu Krampf führen, der vom HBO- und netflix-Hype inspirierte Wunsch, mit Serien auch bei Hörspielen zu punkten, in eine peinliche Produktion münden können. Ist aber nicht passiert: Auch, weil man sich mit Schütte und Seesko auf ein Wagnis eingelassen hat. Kein unmäßiges Risiko, aber mindestens ein etwas größeres als üblich.

Denn statt auf ein fertiges und ausgefeiltes Skript, setzt deren Konzept nämlich auf das kreative Potenzial der DarstellerInnen. Vorgegeben und bis ins Detail ausgearbeitet sind die Lebensläufe der Figuren, auch das Setting ist festgelegt. Die Dialoge aber entstehen per all‘improvviso, was dazu führt, dass sie nicht nach Drehbuch klingen, sondern echt und nach Leben: Hans Löw und Katja Danowski jedenfalls streiten sich mit einer Erbitterung und einer lauernden Lust daran, in jeder noch so harmlosen Einlassung des Gegenübers einen Vorwurf, eine Anspielung oder eine Abwertung zu erkennen, als wären sie bereits seit Jahrzehnten verpartnert. Schütte, der den auf alles gefassten super smarten Therapeuten selbst gibt, muss mit seinem schmeichelnd-warmen Timbre nur selten Impulse setzen, um den Konflikt des Paars zu modellieren, in Fahrt zu bringen und dadurch – wie sagt man: zu bearbeiten.

Schütte hat schon öfter so gearbeitet, am erfolgreichsten sicher 2011 mit dem später dann auch filmisch umgesetzten „Altersglühen“, bei dem zehn gestandene BühnenschauspielerInnen als verwitwete ältere Menschen sich in einer Speeddating-Situation zurechtfinden mussten: Damals entstand eine komplett unangestrengt wirkende, aber berührende Radiokunst.

Bis ins letzte Detail durchkonstruierte Lebensläufe treffen auf schlagfertige Dialoge. Und alles klingt nach Leben

Das lässt sich auch über Folge eins des Paartherapeuten sagen; rasant reißen Löw und Dajanowski in der Sitzung die Aggressionen auf, die Zusammenleben als Paar erzeugen kann, vielleicht muss. Allerdings wirkt schon hier die Organisation der Charaktere mitunter etwas schematisch, Geschlechterstereotype werden zwar nicht stumpf reproduziert, aber stumpf invertiert: Sie ist es, die Auto fährt. Er hat den Kinderwunsch, dem sie sich verweigert. Und so weiter.

Und so weiter ist das Gegenteil von „Fortsetzung folgt“: Serielles Erzählen, das Zuhörer über mehrere Folgen fesseln will, glückt seit Scheherazade nur, wenn die Frage wach bleibt, wie das wohl noch enden wird – und wenn es die Zuversicht begründet, dass mehr davon an genau derselben Stelle zur selben Zeit zu erfahren sein wird. Radio Bremen hingegen bringt es fertig, die ersten zwei Folgen jeweils montags um 21.05 Uhr, die dritte aber am Sonntag, 26. November um 18.05 Uhr auszustrahlen. Das ist dilettantische Programmplanung.

Hinzu kommt, dass beim Paartherapeuten die erste Folge zwar bestens ihre anderthalb Stunde unterhält. Aber in ihr wird, das ist dramaturgisch ungeschickt, die gesamte Therapie der Müller-Lagardes absolviert und abgeschlossen. Über diesen Endpunkt drängt nichts erzählerisch hinaus und die Paare, die in den nächsten Folgen auftreten, sind dann doch zu ähnlich heteronormativ, mittelständisch und mehrheitsgesellschaftlich designt, als dass sie neugierig machen könnten: Auf Ehepaar Müller-Lagarde folgt Ehepaar Kasbohm auf das Ehepaar Möhring folgt: Auch im 21. Jahrhundert gibt es im öffentlich-rechtlichen Radio offenbar nur Paare mit Trauschein.

„Paartherapeut Klaus Kranitz“ läuft am 13. und 20.11. um 21 Uhr und am 26. 11. um 18 Uhr auf Radio Bremen 2

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