: „Aufrecht in die Opposition“
Die grüne Fraktionschefin Anja Piel will die Absage der FDP noch nicht akzeptieren. Ein Bündnis mit der CDU sieht sie hingegen nicht – Grund dafür ist das Verhalten des Spitzenkandidaten Bernd Althusmann
Anja Piel, 51, ist seit 2013 Fraktionsvorsitzende der Grünen im niedersächsischen Landtag.
Interview Andrea Scharpen
taz: Frau Piel, die FDP hat Ihnen eine Abfuhr erteilt. Wie geht es jetzt weiter?
Anja Piel: Wir werden sicher am Freitag am Rande der Eröffnung des neuen Plenarsaals noch das ein oder andere Gespräch führen. Ich kann diese Ablehnung in ihrer Schärfe nicht nachvollziehen und möchte wissen, ob das wirklich das letzte Wort gewesen ist.
Warum akzeptieren Sie das Nein zur Ampel nicht einfach?
Ich habe nicht erkennen können, ob es bei der FDP außerhalb des Landesvorstandes eine basisdemokratische Befassung mit der Koalitionsoption gegeben hat. Die Verweigerung einer Regierungsmitarbeit ist eine Entscheidung, bei der man nach meinem Demokratieverständnis mit den Mitgliedern sprechen muss.
Warum hängen Sie so an der Ampel?
Da ist die Vorstellung, dass das gut klappen könnte. In der vergangenen Legislatur haben wir beispielsweise in den Ausschüssen mit der FDP an bestimmten Themen zusammengearbeitet, bei den Bürgerrechten oder der Flüchtlingspolitik. Es gab eine Ebene des gegenseitigen Respekts und der Wertschätzung, während der Ton der CDU immer vorwurfsvoll war.
Mit der CDU könnten Sie immerhin regieren. Warum wollen Sie das nicht?
Bei Bernd Althusmann hat mich extrem irritiert, dass er sehr früh gesagt hat, wir wären so stark nach links gerückt, dass man, wenn überhaupt, nur mit Gabriele Heinen-Kljajić oder Stefan Wenzel reden könnte. Christian Meyer wäre als Landwirtschaftsminister untragbar. Das ist erst fünf Wochen her. Und was mich unglaublich geärgert hat, war sein Verhalten im Zusammenhang mit dem Wechsel von Elke Twesten.
Inwiefern?
Herr Althusmann, der unsere Fraktion nicht kennt, spricht davon, dass Elke Twesten gemobbt wurde. Ist es tatsächlich in seinem demokratischen Verständnis, dass es Mobbing ist, wenn ein Abgeordneter in seinem Wahlkreis nicht wieder gewählt wird?
Warum schließen Sie Jamaika nicht formal aus?
Das entscheidet bei uns die Partei. Wenn es eine riesige Welle von Delegierten gibt, die Jamaika wollen – womit ich nicht rechne –, könnte es zum Sonderparteitag kommen. Ich habe aber in den vergangenen Wochen nicht eine einzige Mail von einem Mitglied bekommen, welches das gefordert hat.
Sie könnten mehr grüne Inhalte umsetzen als in der Opposition.
Die Liberalen sind im Sondierungsgespräch mit der SPD hart geblieben. Eine Ampelkoalition aus SPD, Grünen und FDP wird es in Niedersachsen nicht geben.
Die Begründung lautete: „Wir sind für einen grundsätzlichen Neustart in der Landespolitik angetreten“, so Stefan Birkner (FDP).
Für Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) ist damit die Wunschkoalition geplatzt. „Es waren die erwartet schwierigen Gespräche“, sagte Weil. Heute treffen sich SPD und CDU.
Die Wahrscheinlichkeit ist groß, dass auch viele unserer grünen Themen zerrieben würden. Ich kann mir in so einem Bündnis nicht vorstellen, wie wir unserem Anspruch an eine humane Flüchtlingspolitik gerecht werden sollen.
Wie wollen Sie mit der AfD im Landtag umgehen?
Das ist einer der Gründe dafür, dass wir mit aufrechtem Rücken in die Opposition gehen. Es ist unsere Aufgabe, für die AfD ein echtes Gegengewicht zu sein. Wir sind im Austausch mit anderen Landesregierungen, in denen die AfD schon im Parlament sitzt. Wir wollen uns inhaltlich mit der Partei auseinandersetzen.
Sie sehen noch immer ihren Partner in der SPD. Können Sie überhaupt auf kämpferische Opposition umschalten?
Es könnte sogar einfacher für uns werden. Die sachlichen Konflikte, die wir bisher mit der SPD in den Arbeitskreisen hatten, können wir nun offen austragen.
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