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Mangelnde Sensibilität

Vor dem Jahrestag der Pogromnacht machen Politik und Initiativen auf Antisemitismus aufmerksam

Angriffe auf jüdische Friedhofe werden nur selten aufgeklärt. Das geht aus einer Antwort des Bundesinnenministeriums auf eine schriftliche Anfrage von Bundestagsvizepräsidentin Petra Pau (Linke) hervor. Demnach gelang es seit 2014 nur in vier von 76 Fällen, die Verantwortlichen zu ermitteln.

Die Gesamtzahl umfasst die Jahre von 2014 bis 2016 sowie das erste Halbjahr 2017. Laut dem auf den 16. August datierten Dokument, über das der Tagesspiegel berichtet, könnte sich die Zahl durch Nachmeldungen noch erhöhen.

2014 gab es demnach 27 Übergriffe auf jüdische Friedhöfe in Deutschland, 2015 insgesamt 22, 2016 18 und in diesem Jahr bis Ende Juni 9 Übergriffe. Rund ein Drittel der Schändungen wurde in den ostdeutschen Bundesländern ohne Berlin registriert. Drei aufgeklärte Fälle gab es 2014, 2015 einen weiteren. Seitdem wurde kein Übergriff mehr aufgeklärt.

Die meisten Attacken auf jüdische Friedhöfe gab es demnach in Nordrhein-Westfalen mit 16 und in Niedersachsen mit 12 registrierten Vorfällen. Es folgen Sachsen-Anhalt mit 9 Angriffen, Thüringen mit 8, Baden-Württemberg und Hessen mit je 6 und Bayern mit 5 Fällen. Die Polizei in Berlin, Rheinland-Pfalz und Mecklenburg-Vorpommern stellte je 2 Schändungen seit 2014 fest. Nur je einen Fall registrierten Bremen, Hamburg, Schleswig-Holstein und das Saarland.

Die geringe Aufklärungsquote spreche „für mangelnde Sensibilität und Schwerpunktsetzung bei Polizei und Staatsanwaltschaft“, sagte Pau dem Tagesspiegel. Vermutlich würden manche Angriffe als unpolitischer Vandalismus abgetan. Der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster, sagte, die Schändung der Friedhöfe sei „Ausdruck eines menschenverachtenden, tiefsitzenden Judenhasses“. In Deutschland gibt es etwa 2.000 jüdische Friedhöfe.

Im Kampf gegen den Antisemitismus wollen bundesweit mehr als 100 Initiativen an diesem Donnerstag über die Hintergründe des Judenhasses aufklären und Gegenstrategien vermitteln. Der Aktionstag zum Jahrestag der Pogromnacht vom 9. November 1938 wird unter dem Namen #Anti­semitismusHeute von der Amadeu Antonio Stiftung und dem Anne Frank Zentrum organisiert. In den Veranstaltungen geht es etwa um Antisemitismus im HipHop, den auf Israel bezogenen Antisemitismus und Fragen von Migration und Judenfeindschaft.

Oft werde Antisemitismus nicht als solcher benannt, sondern als Rechtsextremismus oder Diskriminierung unsichtbar gemacht, erklärte der Di­rektor des Anne Frank Zentrums, Patrick Siegele. Das führe dazu, dass Judenhass häufig als etwas angesehen wird, das seit 1945 keine Rolle mehr spiele. (epd, dpa)

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