heute in hamburg: „Ich biete eine steife Umarmung an“
Leo Fischer, Satiriker, Ex-Chefredakteur der Titanic und Kolumnist. Er tritt für Die Partei an und bespielte kurzfristig den Twitter-Account des Zeit-Magazins, bis er dort fälschlich den Tod Mehmet Scholls mitteilte.
taz: „Liebe für alle“ ist nicht der erste Titel, unter dem man Sie suchen würde, Herr Fischer.
Leo Fischer: Liebe kann ja viele Formen annehmen. Die Art Liebe, die ich anbieten kann, läuft im englischen Sprachraum als hardlove, manchmal muss man zum Objekt der Liebe ja etwas strenger sein.
Die Veranstalterin der Lesebühne hat Sie als „großen Provokateur“ gelobt – welche Voraussetzungen muss man da mitbringen?
Ich sehe mich nicht als Provokateur, ich sehe mich als Publizisten, der gelegentlich versucht, der Öffentlichkeit Hilfestellung in schwierigen Situationen zu geben, unter anderem in der taz, die mir gelegentlich Platz einräumt, über weniger bekannte Sachverhalte zu schreiben.
Zum Beispiel?
Gentechnisch verändertes Wasser, das war ein ungeheuer erfolgreiches Stück beim taz-Publikum. So möchte ich weiter liefern: zielgruppenorientiert auf das Publikum zugehen und bereitstellen, was es hören will.
Die Zielgruppe ist der Magie-bedürftige Mittelstand, wenn man Ihre Internetseite richtet deutet.
Der Mittelstand ist ja in einer existenziellen Krise, er schmilzt immer weiter ab und gehört mittlerweile zu den bedrohten Arten. Ihm eine Stimme zu geben, und Kraft und Zuversicht – dafür stehe ich ein.
Sie selbst bewerben sich damit, vom Papst verklagt worden zu sein. Ist das nicht inzwischen altbacken für einen Satiriker?
Wir haben das nicht gewollt. Wir haben den Herrn in einer großen persönlichen Krise erwischt, er war dem Anspruch des Amt auch aufgrund seines vorgerückten Alters nicht gewachsen. Dass er es so missverstehen konnte, ist bis heute tragisch. Wir haben es seither auch nicht wiederholt.
Immerhin haben Sie ihn nicht wie Mehmet Scholl für tot erklärt. Vielleicht erklären Sie für diejenigen, die es nicht mitverfolgt haben: Was wurde da missverstanden?
Es ging um ein Titanic-Cover aus dem Jahr 2012 im Zuge der Vatileaks-Affäre, sagen wir dem Herausschießen von peinlichen Dokumenten aus dem Vatikan, was teilweise unkontrolliert geschah. Uns ist es gelungen, die undichte Stelle ins Bild zu setzen. Das führte zu einer Zivilklage des Papstes persönlich gegen uns, die ebenso überraschend für uns zurückgezogen wurde.
Warum?
Wir haben vor dem Landgericht Hamburg, das ja für seine Pressesachen berühmt ist, einen Mittelaltermarkt angekündigt, wo wir die Lebenswelt des Papstes zeigen wollten: Tanzbären, Gaukler, aber auch im Stundentakt eine Hexe verbrennen. Ich weiß nicht, ob es daran lag, dass wir das an jedem Prozesstag wiederholen wollten – in jedem Fall wurde die Klage noch am selben Tag zurückgezogen.
Die BesucherInnen der Lesebühne dürfen im Anschluss einen Lesenden umarmen – stehen Sie da zur Verfügung?
Wenn es sein muss – mir wurde das Regularium nicht hinreichend erklärt. Ich werde eine steife Umarmung anbieten mit höflichem Auf-den-Rücken-klopfen.
Interview Friederike Gräff
Lesebühne „Liebe für alle“, dieses Mal mit Leo Fischer: 20.30 Uhr, Grüner Jäger, Eintritt 7 Euro
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