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Morgen ist Apokalypse

Mit seiner neuen Tanz-Produktion „Black Rainbow“ zeichnet Haus-Choreograf Samir Akika im Theater am Goetheplatz ein düsteres Bild von der Zukunft

Tänzer Antonio Stella im schwarzen Labyrinth Foto: Jörg Landsberg/Theater Bremen

Von Jan Zier

Für Hoffnung ist hier kein Platz. Nirgends. Es sei denn, man glaubt an die Wiederauferstehung, an ein besseres Leben am anderen Ende der Zukunft. Bis dahin aber entsteht dort kein Ort, an dem man Leben will. „Black Rainbow“, die aktuelle Inszenierung der „Unusual Symptoms“ im Theater am Goetheplatz, ist eine Dystopie. Und in vielerlei Hinsicht so ganz anders als „Polaroids“, das letzte Werk des Chefchoreografen Samir Akika, das noch wildes, buntes, anarchisches Leben zelebrierte. Aber eben auch die Vergangenheit.

Nun regiert von Anfang an die Finsternis: Nur ein paar Neonlampen erhellen das massive Schwarz der von Elena Ortega gebauten Bühne mit all seinen Spiegeln und Plexiglasscheiben, die diese ausweglose Düsternis vergrößern und Transparenz schaffen, wo noch ein Platz zum Verstecken sein könnte. Oder zum Träumen. Jeder ist überall sichtbar, jederzeit. Und so muss er auch oft in Unterwäsche tanzen, wenn er nicht gerade in verschlumpften Klamotten daherkommt.

So eine Dystopie ist selbstverständlich viel leichter zu erzählen als eine Utopie, die Hoffnung macht, nicht Ängste weckt. Das sieht man ja schon im Science-Fiction-Film. Und der wird hier immer mal unaufdringlich zitiert, was bei einem wie Samir Akika natürlich zu erwarten war. Aber so eine apokalyptische Vision verklärt auch die Gegenwart. Unsere Vorstellungen von der Zukunft sagen doch zuallererst etwas über jene Welt aus, in der wir jetzt noch leben. Wobei „erzählen“ an dieser Stelle womöglich in die Irre führt: „Black Rainbow“ ist zwar ein sehr stringentes und dichtes Werk, gleichwohl aber äußerst offen und assoziativ angelegt. Ist modernes Tanztheater das nicht immer? Nein! Das hat Samir Akika schon bei seinen stark filmisch inspirierten Arbeiten „Einer flog über das Kuckucksnest“ oder „Die Zeit der Kirschen“ bewiesen.

Die Musik dieser Inszenierung kommt übrigens von derselben Live-Band wie die letzte: Neben Jayrope spielen wieder Stefan Kirchhoff und Simon Camatta, die sich am Rande der Bühne, umgeben von allerlei Monitoren (Video: Julia Müller) eine Ausnahme in Weiß und etwas Retrocharme erlauben dürfen. Ihre atmosphärischen Klänge liefern nicht allein den Rhythmus für die Tanzenden, sondern schaffen einen ganz eigenen Raum mit mehr Platz für die Gedankenwelt dieser Choreografie. Dabei pendelt die Musik zwischen dezent-gefälligem Synthie-Sound, der vom Tanz fast völlig entkoppelt ist, und aufgeputschten, aggressiven Klängen, die dann umso eindringlicher auf die sechs TänzerInnen ausstrahlen und auf der Bühne eine immense Energie freisetzen. Die Faszination des synchronen Tanzes steigert sich dann in eine Lust an der schieren Gewalt, in Wut, Zerstörung und Autoaggression.

Atmosphärische Klänge schaffen einen ganz eigenen Raum für die Gedankenwelt der Choreografie

Meist aber kämpft in dieser Zukunft jeder für sich allein, oft rastlos, sich selbst bespiegelnd und doch ängstlich auf der Suche – ja, nach was eigentlich? Der Individualismus vereinzelt die Menschen, die hier immer wieder ins Scheinwerferlicht gerückt, ausgeleuchtet werden. Wobei dabei meistens Männer am Werk sind: Ying-Yun Chen ist die einzige Frau in dieser Inszenierung, die neben bekannten Gesichtern wie Antonio Stella, Gabrio Gabrielli und Pilgyun Jeong auch zwei weitere Gäste hat: Christian Drewicke und Jordan Gigout arbeiten wie Chen zum ersten Mal mit Samir Akika zusammen. Und allesamt sind sie wirklich hervorragende TänzerInnen.

Leider vergibt die Inszenierung, in der es übrigens nur am Rande auch um Androiden geht, die Chance auf eine bessere Pointe. Natürlich, das Ende nach knapp eineinhalb Stunden ist offen. Irgendetwas Grelloranges fällt vom Himmel und rafft sie alle dahin. So bleibt eben nur das gleißende weiße Licht, in das wir alle gehen – oder eben die arg billig und unnötig klischeehaft daherkommende Steinzeit. Das ist höchstens noch als Pa­rodie seiner selbst gut! Und wir als ZuschauerInnen hätten die Botschaft auch schon verstanden, wenn sie etwas subtiler dahergekommen wäre.

Termine: 9. und 22. 11. sowie 7. 12., 20 Uhr, Theater Bremen

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