Was man mit Kickerstangen machen kann: Männchen gehören über den Herd
Von einer, die auszog, Kickern zu lernen. Und einem selbst gebauten Küchenutensil, an das Küchenutensilien gehängt werden können.
Gegen Kneipenabende mit mehr als einer weiteren Person habe ich eine gewisse Abneigung. Einfach nur dasitzen, sich unterhalten und ein Bier nach dem anderen trinken, ist meist keine Option in meinem Umfeld. Billard, Dart oder Tischfußball: irgendein Teil dieses Kneipensport-Triathlons muss immer performt werden. Wer nicht mitmacht, ist aufgeschmissen und muss sich mit den anderen übriggebliebenen Langweilern beschäftigen.
Um diesem Stigma ein Ende zu bereiten, will ich nun also kickern lernen. Willige Trainer zu finden, ist kein Problem. Drei (tisch-)fußballbegeisterte Männer freuen sich, dass sie mich endlich in die Geheimnisse des Kickerns einführen dürfen. Shea stellt sich als Dr. Dribbler vor, also wollen die beiden anderen natürlich auch Kicker-Spitznamen. Frieder wird zu Kai, dem Kurbler, Paul bekommt den Beinamen Panzerfaust. Ich gehe leer aus, aber meine Kickerqualitäten lassen ja auch noch zu wünschen übrig. Spitznamen muss man sich erarbeiten.
Die Bar ist, wie eine gute Bar sein muss: günstiges Bier, Aschenbecher auf den Tischen, ein paar Sofas stehen rum. 20 Cent kostet das Spiel, sehr billig, wie ich lerne. In Freiburg soll eine Runde bis zu einem Euro kosten. Dr. Dribbler reibt einmal meinen rechten Arm durch, hat er mal bei einem Kickerturnier gesehen, dass man das so macht. Aha. Ich bin hier mit Profis unterwegs. Sonst will sich aber keiner aufwärmen. Wir sind hier schließlich beim Kneipensport, nicht auf dem Fußballfeld.
„Du musst erst mal ein Gefühl für den Ball kriegen.“ Ich darf also mit dem Ball ein paar Mal zwischen meinen Kickermännchen hin und her spielen, um „den Ball zu spüren“. Aufs Tor schieße ich auch zweimal, fürs Feeling. Der Kicker in unserer Kneipe hat Torhüterinnen mit Röckchen und Zopf. „Das ist Nadine Angerer – google das“, schmeißt mir Dr. Dribbler an den Kopf. Gegendertes Kickern. Passt.
Die Phrasenkasse klingelt
Dann beginnt das Spiel. Und mit ihm die Fußballweisheiten. „Die Nerven liegen blank!“ „Das war ein Schuss wie durch warme Butter gezogen!“ „Kickern ist ein Prozent Talent und neunundneunzig Prozent harte Arbeit!“ „Es kommt zum Showdown, es steht fünf zu fünf, wer wird das Spiel gewinnen?“ Die Phrasenkasse klingelt. Damit ist wenigstens klar, wer die nächsten Kickerrunden bezahlt.
Ich habe mir zur Vorbereitung YouTube-Videos angeschaut: „Die 5 goldenen Schüsse – Tischkicker-Tipps vom Weltmeister.“ Frank Brauns, der Kickern ganz sicher niemals als Kneipensport bezeichnen würde, spricht von Snake-Shots, Back-Pins, Push-Shots. Ich wusste bisher nicht, dass Tischfußball ein so ernst zu nehmender Sport ist. Für den sogenannten Abroller braucht man zwei bis drei Jahre, bis man ihn perfekt beherrscht, der Snake-Shot geht schon so nach zwei, drei Monaten, sagt Brauns. So viel Zeit wollte ich eigentlich nicht mit dem Kickern verbringen.
Dieser Text stammt aus der taz am wochenende. Immer ab Samstag am Kiosk, im eKiosk oder gleich im praktischen Wochenendabo. Und bei Facebook und Twitter.
Tipps, wie ich meine Performance in kürzerer Zeit steigern kann, bekomme ich von meinen Trainern: „Du musst mehr mit der Stange rumwackeln, das sieht professionell aus!“ Und Regelnachhilfe: „Kurbeln darfst du nicht, aber du darfst den Kurbler stoppen.“ Als ob ich Kurbeln könnte. Ich bin viel zu vorsichtig, viel zu langsam. Wenn ich überhaupt mal Ballkontakt habe, rolle ich den Ball mehr als das ich ihn schieße.
„Klapp deine Männchen weg, den Rest mach ich“
Ich fühle mich eher wie eine Zuschauerin. Meine wichtigste Aufgabe: den Ball nicht behindern. „Klapp deine Männchen weg, den Rest mach ich“, hat Jens Friebe mal gesungen. Hier ist auch immer jemand, der den Rest für mich macht.
Trotzdem bekomme ich aufmunterndes Lob. „Christina, du hattest gerade wirklich deine Kickergeburt“, sagt Dr. Dribbler. Paul Panzerfaust bemerkt: „Da ist etwas in dir gekippt beim letzten Spiel, das hat man gemerkt.“ Ich habe mein erstes Tor geschossen. Die Männer bestehen drauf, dass es ein wirklich echtes Tor war, kein Mitleidstreffer. „Du hast ein Tor gegen Dr. Dribbler gemacht, sollen ruhig alle wissen!“
Einen Spitznamen hab ich mir trotzdem nicht verdient, ich werde immer noch mit meinem Vornamen angesprochen. Dafür gibt’s weiterhin hilfreiche Tipps: „Immer schießen, Christina, du musst einfach immer schießen!“ „Ja, immer wuseln, nicht stillhalten!“ Ich versuch’s. Meistens schieß ich aber in die falsche Richtung. Gut, dass immer wer in der Abwehr steht, der’s kann. Nadine Angerer at her best.
Grätschen, Fouls, das gibt es nicht
Das Schöne am Kickern ist: Man kann nicht unfair spielen. Grätschen, Fouls, so was geht mit den Männchen an der Stange nicht. Beim Bier nach dem Showdown werden alte Kicker-Storys ausgepackt. Alle drei meiner Lehrer hatten in ihrer Kindheit einen Plastiktischkicker, so einen ohne Beine, den man auf den Tisch stellen kann. Dr. Dribbler erzählt, dass er einmal am weltbesten Kickertisch gespielt hat, im Räng Teng Teng in Freiburg. Wahrscheinlich handelt es sich hierbei um eine Urban Legend, Belege finden sich nicht.
Die Männer klopfen sich noch ein bisschen gegenseitig auf die Schultern, das letzte Bier und die letzte Zigarette werden geteilt. Mein erster Kickerabend war nett, aber angefixt wurde ich nicht. Die Kickerstange, die ich auf dem Sperrmüll gefunden habe, und die jetzt bei mir Zuhause rumliegt, will ich deswegen auch nicht in meiner Wohnung montieren: Da gibt es weit und breit weder Kicker- noch Fußballfans.
Die Idee ist, ein Küchenutensil daraus zu bauen, an das Küchenutensilien gehängt werden können. Schließlich finde ich eine kickerbegeisterte Freundin, deren WG-Küche noch ein paar Männchen in Sportklamotten an der Wand vertragen kann. Als die Stange fertig montiert ist, zaubern die Mitbewohner irgendwo einen Minitischkicker ohne Füße hervor – vier Stangen zu je drei Männchen. Man ist nirgends vor ihnen sicher.
Anleitung
1 Für die Küchenreling aus einer Kickerstange braucht man vor allem: eine Kickerstange, natürlich mit den typischen Männchen. Wer nicht das Glück hat, eine auf dem Sperrmüll zu finden, kann auch in Kneipen mit Kickertischen nachfragen, ob sie ausrangierte Stangen und Figuren übrig haben.
2 An die Wand bringt man die Stange mit den Halterungen, die auch für Vorhangstangen verwendet werden. Im Baumarkt gibt es das Paar für 8 Euro, Dübel und Schrauben inklusive.
3 Mit Wasserwaage und Meterstab die Stellen anzeichnen, wo die Löcher für die beiden Halterungen gebohrt werden sollen. Bei der Wahl des Abstandes beachten: Die Kickerstange kann nur da in die Halterungen eingehängt werden, wo keine Männchen sind.
4 Die Löcher für die Halterungen mit einer Bohrmaschine vorbohren. Dübel einsetzen, die Halterungen mit zum Dübel passenden Schrauben befestigen.
5 Kickerstange einhängen – und fertig. Jetzt können Küchenutensilien aufgehängt werden, an Extrahaken oder an den Figuren selbst. Nach demselben Prinzip kann die Stange auch als Garderobe verwendet werden.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Vermeintliches Pogrom nach Fußballspiel
Mediale Zerrbilder in Amsterdam
Kritik am Deutschen Ethikrat
Bisschen viel Gott
Altersgrenze für Führerschein
Testosteron und PS
Berichte über vorbereitetes Ampel-Aus
SPD wirft FDP „politischen Betrug“ vor
Toxische Bro-Kultur
Stoppt die Muskulinisten!
Scholz telefoniert mit Putin
Scholz gibt den „Friedenskanzler“