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In der Fremde

Mit den Künstlerinnen Bea Kuosovszky aus Budapest und Doris Weinberger aus Bremen setzt die Galerie Mitte auf den Austausch

Am Rücken findet der Blick des Betrachters seine Grenze. Die Frauenfiguren dieser Serie sind nichts und niemandem ausgeliefert Bild: Bea Kusovszky/Galerie Mitte

Von Radek Krolczyk

Auf dem Plakat der Galerie Mitte zur Ausstellung „Inside Montage“ stehen nebeneinander zwei Stühle vor einer Wand. Darauf sind Farbspritzer, wie in einem Atelier. Die Stühle sind grundverschieden: ein Werkstattstuhl mit Stahlgestell der eine, ein Küchenstuhl aus hell lackiertem Holz der andere. Die Fotografie wirkt wie ein Sinnbild. Für die Begegnung von Subjekten unterschiedlicher Herkunft, geprägt von einer unterschiedlichen Geschichte im Bereich der Kunst, wofür dieser Künstleraustausch ja auch steht. Nur ist das vielleicht ein klein wenig zu viel des guten Willens.

Die Ausstellung jedenfalls, die die Bremer Konzeptkünstlerin Doris Weinberger gemeinsam mit der Budapester Malerin Bea Kusovszky bestreitet, ist Teil einer Reihe, die sich genau diese Art von Begegnungen zur Aufgabe gemacht hat. „Heimat und Welt – Otthon és Világ“ ist der Titel, die künstlerischen Begegnungen finden zwischen Bremen und Budapest statt.

Im vergangenen Jahr bereits lud die in Budapest geborene und in Bremen lebende Malerin Emese Kazár Doris Weinberger nach Budapest zu einer gemeinsamen Ausstellung in der legendären Galerie Liget. In der Weserburg war zuletzt eine ganze Ausstellung zu sehen, die sich diesem Ort des künstlerischen Widerstands im sozialistischen Ungarn widmete. Zuletzt eröffnete im September in der Budapester Filiale des Museums Ludwig eine große Fluxus-Schau mit Werken aus der Sammlung des Bremer Unternehmerpaares Maria und Walter Schnepel, deren Verbleib die hiesige Kulturbehörde in Bremen verunmöglichte. Der künstlerische Austausch mit einem Land, das man sich als graue Halbdiktatur am Rande der Europäischen Union vorstellt, ist in Bremen offensichtlich sehr rege.

Wozu aber führt nun die konkrete Begegnung der Künstlerinnen Bea Kusovszky und Doris Weinberger in der Galerie Mitte? Zunächst zu einem schönen Missverständnis – dass nämlich Kusovszkys farbige Leinwände und Weinbergers schwarze Schrifttafeln zusammengehören: „Nichts kann sie bewegen. Sehe ich. Kein Blinzeln. Auf dem Holzverschlag liegt sie – dahingegossen wie in Großwildjägerträumen. Fast – weil ohne Mähne“.

Weinbergers Annäherung ist zärtlich und präzise. Worauf sie sich bezieht, bleibt offen. Dass es sich um eine Löwin aus dem Budapester Zoo handelt, erfährt man erst später. Zunächst sieht man die jungen Frauen auf Kusovszkys Bildern. Einzeln stehen sie im Vordergrund, dem Betrachter den Rücken zugewandt und blicken in die Ferne. „Auf dem Holzverschlag liegt sie – dahingegossen wie in Großwildjägerträumen“. Die Verbindung gerät etwas schmierig.

Die inhaltliche Verbindung zwischen den Künstlerinnen gerät etwas schmierig

Tatsächlich sind Kusovszkys Figuren nichts und niemandem ausgeliefert. Die Blicke der Betrachter finden an den Rücken ihre Grenzen. Gleichzeitig bleiben sie nur schwer zu fassen, die Kleidung, die Tattoos auf den Schulterblättern, schließlich auch die Haut wirken so, als seien sie transparent. Wie den Blicken halten Kusovszkys Gestalten auch den Landschaften stand. Sie finden sich, wie ihre Malerin, in der Fremde. In den Landschaften kommen ganz unterschiedliche Malweisen der Pop-Art zusammen – flächig und gepixelt, ornamental und emblematisch. Diese Künstlichkeit steht im Kon­trast zu den realistisch gemalten Frauen. Die Art, in der sie den Landschaften gegenüberstehen, ist objektivierend: Die Landschaften werden überblickt und beherrscht.

Von Doris Weinberger ist eine Videoarbeit zu sehen, die sich direkt auf Entdeckungen bezieht, die sie aus Budapest mitgebracht hat. Besonders beeindruckend und seltsam fand sie den Tierpark: „Ein eigenes Mikrosystem in der Stadt“, wie sie sagt. So sehen wir dann auch wirklich seltsame Tiere, wie Erdferkel, Aale mit Beinen und Papageien, bei einem virtuellen Spaziergang durch den Zoo. Das heißt – als Zoo nimmt man ihn gar nicht wahr. Schließlich sind nirgends Gitter zu sehen. Leicht transparent wird der Ort durch die Überblendungen und die Spiegelungen der Besucher im Terrariumglas. Zwischenzeitlich verlassen wir die Tierwelt und finden uns vor einem populärwissenschaftlichen Diorama. Man sieht Steinzeitmenschen vor Höhlen. Als zusätzlichen dissonanten Pol hat Weinberger den Sound zum Film installiert. Die Aufnahmen stammen zwar aus demselben Zoo wie die Bilder, man hört jedoch selten, was man sieht.

Als nächstes wird nun jemand aus Bremen für eine Ausstellung nach Budapest reisen. Bea Kusovszky wird zum Ende der Ausstellung jemanden aus der hiesigen Kunstszene für eine gemeinsame Schau aussuchen.

Die Ausstellung ist noch bis zum 5. November zu sehen

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