: Bienen summen
Das Festival Kontakte präsentierte an der Akademie der Künste den aktuellen Stand von elektroakustischer Musik und Klangkunst
Von Tim Caspar Boehme
Ein bisschen unheimlich klingt es schon. Aber auch lustig. Aus durchsichtigen Röhren presst etwas hervor, das man Gesang nennen könnte. Töne und Laute, die an „a“, „i“ oder „e“ erinnern. Martin Riches’ „Singing Machine“ und deren Erweiterung, „Four Voices“, bauen mit einfachen mechanischen Mitteln, einem Klarinettenmundstück, einer Röhre mit klappbarem Deckel draußen und einem beweglichen hohlen Kolben drinnen, den Stimmapparat nach, zumindest was die Erzeugung von Vokalen angeht. Der Künstler selbst, ein Brite, der seit Ende der sechziger Jahre in Berlin lebt, erklärt dem Publikum im Foyer die Funktionsweise seiner Installation.
Martin Riches’ Arbeit war Teil des Festivals Kontakte, das am Sonntag an der Akademie der Künste zu Ende ging. Die vorgestellte elektroakustische Musik und Klangkunst paarten sich oft mit anderen Disziplinen. „Musik und …“ stand als Klammer in den Titeln einiger Konzerte. So hätten die „Licht-Allegorien“ am Freitagabend ebenso gut „Musik und Licht“ heißen können, wobei „Licht“ praktisch gleichbedeutend mit „Film“ war. Die österreichische Komponistin Olga Neuwirth war zu erleben mit ihren „!?dialogues suffisantes!?“ von 1992, in denen eine Cellistin per Videozuspielung mit sich selbst und einem Schlagzeuger in Dialog tritt, während parallel dazu eine Szene aus Alfred Hitchcocks Klassiker „Notorious“ in Zeitlupe läuft. Es war eines der filigraneren Stücke des Konzerts, dargeboten vom Stuttgarter Ensemble ascolta, auch wenn Musik und Film eher wenig miteinander zu tun hatten.
Schön auch die musikalischen Gesten, die sich Neuwirths Landsmann Clemens Gadenstätter zum abstrakten Film „Op. 3“ von Walter Ruttmann hat einfallen lassen. Die rhythmischen Bilder gerieten zu einem eigenen Stimmengeflecht, das sich entlang der Musik bewegte.
Am Samstag waren in den Paarungen „Musik und …“ die Naturwissenschaften als Dialogpartner gefragt. Der Komponist Gerriet K. Sharma übersetzte Resultate der Beschleunigerphysik über einen IEM-Ikosaederlautsprecher, ein Messinstrument, in Klangereignisse. Diese verbreiteten sich mitunter wie Atompilze in Zeitlupe durch den Raum. Doch die meiste Zeit plätscherten seine Computerklänge spannungsarm vor sich hin, sodass nicht mal die gelangweilten Kinder, die unter Hinweis auf ihre Bedürfnisse („Ich hab Durst!“) das Konzert verließen, groß störten.
Mehr zu bieten hatte da José Manuel Berenguer in seiner Uraufführung von „Bienen“ – Stichwort „Musik und Verhaltensbiologie“ – nebenan im Gräsergarten. Zwischen Bambuszweigen konnte das Publikum einer Collage aus Schaben, Rascheln, Ratschen und Klirren lauschen, die Berenguer aus der Live-Beobachtung eines Bienenvolks gewann. Manchmal half er mit gelooptem eigenen Gesang nach. Und dann und wann konnte man Krähen vernehmen. Die stammten ganz direkt aus der Wirklichkeit: Kleine Schwärme kreisten über den Dächern der benachbarten Hochhäuser des Hansaviertels, zogen über die Köpfe des Publikums hinweg. John Cage wäre selig gewesen.
Lehrreich schließlich eine Matinee am Sonntag mit einer Gesprächsrunde zu Hermann Scherchen. Der Dirigent hatte sich schon früh für elektronische Musik zu interessieren begonnen und im Tessiner Dorf Gravesano ein Studio eingerichtet. Erstaunlicherweise hielt Scherchen von elektronischer Musik unter ästhetischen Gesichtspunkten recht wenig, wollte sie aber als neue Entwicklung fördern. Mehrfach kam daher die Frage auf, wie dieser wohl auf spätere Tendenzen der Elektronik reagiert hätte. Scherchen starb 1966.
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