heute in bremen: „Ähnlich mies gelaunte Filme“
Benjamin Moldenhauer ist Filmwissenschaftler und schreibt als freier Autor unter anderem für die taz.
taz: Herr Moldenhauer, Sie gucken heute „Blade Runner“ im Kino. Sie haben aber mitbekommen, dass die den alten zeigen?
Benjamin Moldenhauer: Ja. Es gibt Filme, die man nicht zu oft sehen kann. Ridley Scotts „Blade Runner“ ist einer davon.
Aber sind diese Maschinenmenschen nicht längst erledigt, seit wir mit unseren Computertelefonen verwachsen sind und uns mit künstlichen Bauteilen reparieren lassen?
Ach, erledigt, erledigt ist eigentlich nichts. Deckard, der Nachname des unglücklichen Replikantenjägers, klingt wie Descartes, wenn man ihn langsam ausspricht. „Blade Runner“ behauptet, die ganz großen Fässer aufzumachen. Da geht es nicht um Roboter, sondern um den Menschen, also um uns: Die Replikanten versuchen, die eigene Programmierung zu überwinden. Das ist schlicht Vernunftvermögen. Die Grenze zwischen künstlich und natürlich ist in „Blade Runner“ eh sehr durchlässig.
Morgen läuft dann nach über 30 Jahren die Fortsetzung an. Ist das noch interessant?
Ja, klar. Zumal da mit Denis Villeneuve ein Regisseur zugange war, der auf seine Art ähnlich mies gelaunte Filme hinbekommt.
Aber ist es nicht auch ein bisschen traurig, wie die Science-Fiction sich mit diesen ganzen Prequels, Sequels und Reboots an ihrer eigenen Geschichte abarbeitet, statt mal wieder über morgen nachzudenken?
Das ist nicht das Problem von „Blade Runner“. Das Genre insistiert zurzeit darauf, dass wir außer dem Krieg aller gegen aller nicht mehr viel zu erwarten haben. Da hat es bis auf Weiteres ja auch recht. Aber die Dystopien, die das Elend nicht mit viel Krachbumm als Normalfall, sondern eben als Elend kennzeichnen, fehlen. Vielleicht schließt „Blade Runner 2049“ da ja eine Lücke.
Kino in der Schauburg: „Blade Runner – Final Cut“, 20.30 Uhr. Die Fortsetzung „Blade Runner 2049“ läuft ab 5.10. bundesweit im Kino.
Aber der erste Teil zitiert doch den Film noir in wunderschönen Bildern. Lädt das nicht dazu ein, es sich in der Katastrophe gemütlich zu machen?
Wenn sich eine Welt vor einem entfaltet, die einem nichts anhaben kann, ist es immer sehr gemütlich. „Blade Runner“ ist tatsächlich wunderschön, in einem ganz ungebrochenen Sinn. Aber eben auch sehr traurig. Wenn man das zulässt, kriegt man was mit. „Ein Jammer, dass sie nicht leben wird. Aber egal – wer tut das schon?“ Das ist der zentrale Satz. Und das ist kein markiger Spruch, das meint der Film ernst.
Interview Jan-Paul Koopmann
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