heute in hamburg: „Wir wollen die Herzen gewinnen“
Anna Ammonn, 68, ist Vorsitzende des Hamburger Verbands für gemeinsames Lernen und ehemalige Vorsitzende der GEW-Hamburg.
taz: Frau Ammonn, Sie starten heute eine Kampagne, die heißt „zusammen leben zusammen lernen“. Was ist das Ziel?
Anna Ammonn: Wir wollen eine neue Debatte anzetteln über Bildungsungerechtigkeit. Nirgends in der EU sonst ist der Schulerfolg eines Kindes so eng an seine Herkunft gekoppelt.
Das ist bekannt, aber schwer zu ändern, wie der 2010 verlorene Streit um eine sechsjährige Grundschule zeigte. Haben Sie einen neuen Ansatz?
Ja. Mit unserer Kampagne werden wir ein neues Nachdenken darüber erzeugen, was Ausgrenzung mit Kindern macht. Wir wollen konkrete Schritte für weniger Ausgrenzung, mehr gemeinsames Lernen und mehr Gerechtigkeit an den Schulen initiieren.
Wie könnte das gehen?
Da gibt es viele Bausteine. Sei es, dass es weniger Aussortieren am Gymnasium gibt, mehr Binnendifferenzierung statt getrennter Kurse an den Stadtteilschulen, oder die Grundschulklasse, deren Eltern entscheiden, ihre Kinder gemeinsam an eine Stadtteilschule zu geben.
Warum nicht gleich eine Schule für alle?
Mich überzeugt das zweigliedrige Schulsystem nicht. Aber das zu ändern ist nicht Ziel der Kampagne. Die Zeit ist noch nicht reif dafür, die Strukturfrage zu stellen. Aber die Zeit ist reif für eine neue Debatte, weil die Probleme so gravierend sind. Die Stadtteilschulen bekommen nur 40 Prozent der Schüler, aber sie sind fast allein für die Inklusion zuständig.
Es gibt positive Trends, zum Beispiel mehr Abiturienten.
Das stimmt. Aber für viele Kinder, die von Haus aus keine Unterstützung haben, bleibt der Bildungserfolg aus. Diese große bildungspolitische Wunde bleibt bestehen.
Wer unterstützt die Kampagne?
Träger der Kampagne sind der Verband Integration an Hamburger Schulen, ViHS, und der Verband für Schulen des gemeinsamen Lernens. Wir haben eine Reihe namhafter Unterstützer wie den Liedermacher Rolf Zuckowski, die Krimiautorin Doris Gercke, die Schauspielerin Hannelore Hoger und Ole von Beust.
Und was haben Sie vor?
Zunächst wird es heute den Auftakt in der Ida Ehre Schule geben. Wir planen weitere Veranstaltungen wie Matinees, Flashmobs oder Projektwochen. Die Kampagne ist nur erfolgreich, wenn es gelingt, die Eltern zu überzeugen. Wir wollen die Herzen und Köpfe der Menschen dafür gewinnen, dass „zusammen lernen“ für die Kinder besser ist als das Auseinandersortieren.
Interview: Kaija Kutter
Auftaktveranstaltung „zusammen leben zusammen lernen“, 17 Uhr, Ida Ehre Schule, Lehmweg 17
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