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Vier Frauen, die in den Bundestag wollenDie Aufsteigerinnen

Jung, weiblich – Abgeordnete? Ein Porträt über vier Frauen, die mit mehr oder minder großen Chancen in den Bundestag einziehen könnten.

Die vier Frauen hoffen auf einen Platz im Deutschen Bundestag Foto: dpa

Grüne: Über CSU-Haus und Piraten-Deck zum Traumplatz

Bei Laura Sophie Dornheim, geboren 1983 in Dachau, war das Private schon immer politisch: Ihr Großvater ist der ehemalige CSU-Kultusminister Hans Maier – „ein sehr diskussionsfreudiger Mensch“, sagt Dornheim. Und so war Politik immer ein großes Thema auf Familienfeiern. Zu seinem Leidwesen, erzählt Dornheim, habe es ihr Großvater nicht vermocht, seine sechs Töchter von der CSU zu überzeugen; sie wanderten allesamt ins linke Spektrum ab.

Dornheims Eltern waren in den Achtzigern in der Friedensbewegung und beim BUND aktiv, das prägte ihre Kindheit und Jugend. Mit 16 trat sie den Grünen bei. „Aber damals fand ich in der Parteistruktur keinen Anschluss, ich war nie wirklich aktiv“, sagt sie.

Laura Sophie Dornheim (Bündnis 90/ Die Grünen) Foto: Laura Sophie Dornheim

Anschluss findet sie zwölf Jahre später. Nach einem abgeschlossenen Wirtschaftsinformatikstudium und einer Promotion in Gender Studies zu Frauen in Führungspositionen wird sie Mitglied in der Piratenpartei. 2011 ist das, Dornheim begeistert vor allem eine Frage: Wie kann man Politik fürs digitale Zeitalter machen? „Bei den Piraten war es das Gegenteil von gewachsenen Strukturen, da konnte ich mich gleich reinstürzen“, sagt sie. Dornheims Anspruch war es, den Feminismus in der Partei voranzubringen.

Bei den Wahlen 2013 kandidiert sie auf Listenplatz 6 der Berliner Piraten für den Bundestag. Doch bald stellt sie fest: Eine Partei ohne Strukturen funktioniert nicht. „Die Diskussionskultur ging den Bach runter“, sagt sie. „Weil es keine Strukturen gab, hat sich durchgesetzt, wer am lautesten schreit.“ Bei den Piraten waren das meist die Männer. 2015 tritt Dornheim aus der Partei aus und verabreicht sich vorerst eine Parteipause. „Ich wollte mich endlich nicht mehr rechtfertigen müssen, dass ich als Frau eine Meinung habe.“

Aber ganz ohne Parteipolitik geht es auch nicht. Also kehrt sie zurück zu ihren grünen Wurzeln. Dann geht alles ganz schnell. Im März sieht sie, dass der Listenplatz 5 auf der Berliner Landesliste der Grünen noch frei ist – „ein Traumplatz“, so Dornheim. Die 34-Jährige überlegt nur kurz, ob die Kandidatur für den Bundestag mit ihrem Ganztagsjob als Sprecherin für ein Tech-Start-Up und ihrem einjährigen Sohn vereinbar ist. „Gerade jetzt ist es unfassbar wichtig, dass alle sich engagieren“, begründet sie ihre Entscheidung. Zwar hat sie in den vergangenen Wochen gemerkt, dass Job, Kind und Wahlkampf realistisch nicht vereinbar sind. Aber sie bereut ihre Entscheidung nicht.

Bei den Grünen ist Dornheim unter den ersten fünf KandidatInnen auf den Landeslisten bundesweit die Jüngste. „Mit großem Abstand“, sagt sie und lacht. Wenn sie in den Bundestag einzieht, will sie ihre Herzensthemen wieder auf die Tagesordnung bringen: Netzpolitik und Feminismus. ELISABETH KIMMERLE

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SPD: „Ganz viel Lebenserfahrung“

Christel Sprößler lacht ins Telefon: Abschalten? Das könne sie hervorragend mit ihrer Familie und am Klavier oder Akkordeon. Zeit zum Abschalten bleibt jedoch im Wahlkampf vermutlich wenig, zumindest zum Musizieren. Sprößler ist viel beschäftigt. Die 51-Jährige, die seit 1994 SPD-Parteimitglied ist, kandidiert im Wahlkreis Darmstadt zum ersten Mal für den Bundestag.

Hauptberuflich ist sie seit 14 Jahren Bürgermeisterin der Nachbargemeinde Roßdorf, einer Kleinstadt mit 12.000 Einwohner*innen. Hier ist sie verwurzelt, kennt die Menschen und deren Belange: „Als Bürgermeisterin muss man auf der ganzen Klaviatur spielen können, vom tiefsten C bis zum höchsten“, sagt Sprößler. Ihr Steckenpferd ist dabei ihre Vielseitigkeit, denn sie möchte sich nicht auf eine thematische Priorität festlegen lassen. Man könne nicht sagen, „die eine Sache ist mir wichtig, die andere nicht.“ Für sie hängt alles zusammen: Arbeitsmarkt-, Bildungs-, Wohn- und Europapolitik.

Christel Sprößler (SPD) Foto: dpa

Die Nähe zu den Menschen kennt sie aber nicht ausschließlich als erfolgreiche Politikerin. Zehn Jahre hat sie bei Lufthansas Tochterfirma Condor gearbeitet, sie weiß um die Arbeitsverhältnisse im internationalen Wirtschaftsunternehmen. Deshalb, so heißt es auf ihrer Internetseite, liege ihr soziale Gerechtigkeit besonders am Herzen.

Die Bürgermeisterin möchte aber in die Bundespolitik, da sie das Bedürfnis hat, ihre „Erfahrungen und Fähigkeiten an einer anderen Stelle einzusetzen.“ Der Bundestag sei genau der richtige Ort, um mehr für ihre Region tun zu können – beispielsweise um eine versöhnliche Zusammenarbeit der Gemeinden in ihrem Wahlkreis anzustoßen. Die gebe es bisher kaum. Das Bürgermeister*innen-Amt würde sie dennoch mit „einem lachenden und einen weinendem Auge“ verlassen.

Sprößler wurde von Brigitte Zypries zur Nachfolgerin benannt und steht für die Wahl auf dem 12. Platz der Landesliste. Sie ist überzeugt, dass sie wie Zypries das Direktmandat holen wird. „Es ist zwar nicht einfach, aber auch nicht unmöglich, denn ich bringe auf allen Ebenen ganz, ganz, ganz, ganz viel Lebenserfahrung mit.“

Sobald sie sich im bundespolitischen Apparat in Berlin zurechtgefunden habe, könne sie dort ihre Kompetenzen als Bürgermeisterin sinnvoll einsetzen und im Orchester der großen Politik mitspielen. Sie sei ja schon immer nah dran an den Menschen und wisse, was die Leute umtreibt, „solche praktischen Erfahrungen werden in Berlin benötigt.“ TORBEN BECKER

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Linke: Von der Demo ins Parlament

Gökay Akbulut war in den vergangenen Wochen oft auf dem Mannheimer Marktplatz anzutreffen. Hier, im Zentrum der Stadt, am Infostand der Linken, warb sie als einzige weibliche Direktkandidatin im Wahlkreis. Für ihre erste Bundestagskandidatur hat sie gute Gründe – und mindestens so gute Chancen, denn der Landeslistenplatz drei reserviert ihr einen parlamentarischen Stuhl für Baden-Württemberg.

Politisch aktiv war die 33-Jährige schon lange: „Es war ganz normal, nach Feierabend noch in Sitzungen zu gehen, statt nach Hause auf die Couch“ – auch neben dem Beruf als Dozentin für Deutsch und Englisch blieb sie ihren politischen Zielen verschrieben. Die Sozialwissenschaftlerin hat kurdische Wurzeln, die Lage in der Türkei hat sie auch während des Wahlkampfes schwer belastet.

Gökay Akbulut (Linke) Foto: dpa

„Ich bin praktisch auf Demos groß geworden“, erzählt die Kandidatin und lacht. Dabei waren die Anlässe keinesfalls komisch. Wie viele Kurd*innen, hat auch sie Familienangehörige in den Konflikten in der Türkei verloren. „Immer wenn eine Bombe fiel oder Leute inhaftiert wurden, sind wir demonstrieren gegangen“ – ihr familiärer Hintergrund hat sie politisiert.

Ronja Kemmer (CDU/CSU) Foto: Ronja Kemmer

1990 kommt Akbulut aus der Türkei nach Deutschland, wächst in Hamburg auf. 2007 tritt sie der Linken bei, damals noch als Studentin in Heidelberg. Einen Kickstart legt sie persönlich dann 2011 mit ihrem Einzug in den Kreisvorstand der Mannheimer Linken hin. Es folgte der Gemeinderat 2014, im Januar 2017 die Nominierung für die Bundestagswahl – „es ging alles relativ schnell“. Die Kämpfernatur wollte aktiv bleiben: „Ich habe die Entwicklung nach Rechts gleich gespürt, als ich in Mannheim ankam“, erinnert sie sich.

Und sie sollte richtig liegen: Bei den Landtagswahlen 2015 erlebte die Linke einen Dämpfer. Sie schrammte mit 4,8 Prozent knapp am Einzug vorbei – dafür belegte die AfD gleich 23 Sitze. In einer Stadt mit einem Migrantenanteil von 44 Prozent sei so ein Ergebnis erstaunlich und fatal, so Akbulut.

Einschüchtern lassen hat sie sich dadurch aber nicht. Stattdessen bereitet sie sich bereits auf inhaltliche Auseinandersetzungen vor. Im Parlament will sie die Geschlechtergerechtigkeit durchsetzen, auch vor dem Hintergrund der prognostizierten Zunahme von „Männerparteien“ in der kommenden Legislaturperiode. Eine „kompetente Frau mit Migrationshintergrund, die noch nicht im Bundestag sitzt – das kommt gut an“. Die Abgeordnete in Spe zeigt sich selbstbewusst. ANTONIA GROß

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CDU: Nachgerückt in den Bundestag

Ausgerechnet dem Männerverein CDU ist das Bundestagsküken entschlüpft. Ronja Kemmer, 28 Jahre jung, sitzt schon im Hohen Haus, am 21. Mai 2015 hielt sie ihre erste Rede – über Europapolitik referierte sie da im ziemlich spärlich besetzten Parlament. Kemmer ist Mitglied der deutsch-ukrainischen und der deutsch-italienischen Parlamentariergruppe, in Italien hat sie auch studiert.

Eigentlich aber fühlt sich die Althengstetterin (Landkreis Calw) viel eher in ihrem Wahlkreis Alb-Donau heimisch, der normalerweise eine sichere CDU-Bank ist. Annette Schavan regierte einst zehn Jahre dort, Ludwig Erhard gar zwanzig. Nun will Kemmer dort liefern, was ihr als Konservative gelingen sollte.

Eine Weiterentwicklung der „Wissenschaftsstadt Ulm“ strebe sie an, einen Breitbandausbau im ländlichen Raum, so Kemmer zur taz. „Die Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse zu gewährleisten ist essentiell, wenn wir unsere Gemeinden liebens- und lebenswert erhalten möchten. Dazu gehört auch eine gute Verkehrsinfrastruktur, die auf die örtlichen Bedürfnisse abgestimmt ist“, steht auf ihrer Internetseite. Traut man ihr das auch zu? Mehrheiten für Projekte organisieren, regionale Anliegen im Bund durchboxen?

„Als ich in den Bundestag eingezogen bin, gab es vereinzelt schon Menschen, die das gestört hat“, antwortet Kemmer ehrlich. Sie ist eben nicht nur sehr jung; ihr fehlte auch die Legitimität. In den Bundestag kam sie, weil der eigentliche Mandatsträger im Dezember 2014 verstarb, Kemmer rückte nach. Jetzt macht sie halt Wahlkampf.

Was zufällig wirkt, scheint dennoch naheliegend. Nach dem Abitur 2008 trat Kemmer der Jungen Union bei und stieg schnell auf. 2010 war sie schon JU-Kreisvorsitzende in Calw, wenig später stellvertretende Kreisvorsitzende. Es folgten Funktionen auf Landes- und Bundesebene in verschiedenen Funktionen. Über junge Gesichter freut man sich bei der CDU besonders, über junge Frauen erst recht.

Aber: „Wir haben in Baden-Württemberg drei Direktkandidatinnen, da ist noch Luft nach oben“, sagt Kemmer, die vor ihrer Heirat Ronja Schmidt hieß. Den vielen Medien, die sie bereits porträtiert und begleitet haben, präsentiert sich Kemmer bodenständig und heimatverbunden. „Da geht einem das Herz auf“, zitierte sie jüngst die Südwestpresse. Kemmers Antwort auf ein Geschenk des baden-württembergischen Innenministers Strobl – eine Küchenschürze. Sowas kommt an bei der Stammwählerschaft. Passend dazu verteilte Kemmer auch Rezeptbroschüren mit dem Titel: „Werd zum Schlemmer mit Ronja Kemmer“.

Ansonsten hält sich die Direktkandidatin mit klaren Aussagen (noch) zurück. Immerhin dies erfährt man: „Der Bedarf an einer großen Koalition ist überschaubar.“ Vielleicht liegt das auch daran, weil Kemmer Mitglied des „VfB Bundestagsfanclub“ ist – wie der schwäbische Grüne Cem Özdemir. DAVID JORAM

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