Was ist Phase bei der Wahl?: „Neonazis häkeln Mützen“
Worum geht es bei der Bundestagswahl tatsächlich? Wie geht es danach weiter? Und wie soll das werden mit der AfD? Drei Fragen an Sibylle Berg.
taz: Frau Berg, worum geht es wirklich am Sonntag?
Vermutlich letztlich um die Wahl der Bundeskanzlerin. Wichtiger aber die Frage: Wie viele Mitglieder der AfD kommen in den Bundestag? Und: Wer ist denn nun das Volk? Menschen, die – ohne pauschal zu werden – größtenteils in ihrer Angst vor dem Tod abgeholt und manipuliert wurden? Oder jene, die recht gerne in einer zivilisierten, freiheitlichen Gesellschaft leben und oft zu faul sind, wählen zu gehen?
Es geht also darum: Hoffen die Menschen darauf, dass alles gut wird und beschweren sich im Anschluss über die da oben, oder schaffen sie es, eine minimale Anstrengung zu leisten? Darum geht es: ob Europa von rechten, manipulativen Machtgierigen geleitet wird, Länder sich voneinander entfernen, Zäune wieder hochgezogen werden, Kriege wieder möglich sind, oder ob Europa Stabilität hinkriegt, in einer Welt, die vor fundamentaler Umwälzung steht.
Nach der Wahl: Haben Sie noch Fragen?
Lässt sich Politik neu erfinden? Ist die Form der kleinteiligen Länderwirtschaft sinnvoll in einer Welt, die erschöpft ist, zu voll? Kann man Lobbyisten elegant durch wissenschaftliche BeraterInnen ersetzen? Kann man Menschen stärker in demokratische Prozesse einbeziehen, statt über sie zu entscheiden? Kann man all die staatsfeindlichen Kräfte, kann man Neonazis, naiven geschichtsverleugnenden Hass in etwas Positives wandeln? „Identitäre“ machen dann Urban Gardening, Neonazis häkeln Mützen für Straßenpoller, „Reichsbürger“ betreiben mit Migranten Ökocafes.
Wie umgehen mit der Afd?
Sibylle Berg, Schriftstellerin und Ex-Weimarin, lebt in der Schweiz. Ihr neues Stück „Nach uns das All“, hat am Sonntag im Berliner Gorki-Theater Premiere.
Wie geht man mit einer Bewegung um, deren Kernkompetenz auf Lügen beruht, auf Manipulation, Menschenhass, vorgetäuschter Dummheit und krakeelen? Ich habe leider keine Ahnung. Vielleicht genügt ein Ausflug, bei dem die Führungsriege samt meist männlicher Wähler für drei Monate auf einer entzückenden Insel mit gutem Klima zusammenkommt. Mit sich. Ohne Menschen auf die man das eigene Versagen verlagern kann. Was passiert dann? Ermüdet von den täglichen Fahnenappellen, dem Marschieren und einander Anbrüllen – ist danach eine gutgelaunte Beteiligung an der Demokratie drin?
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