AfD im neuen Bundestag: Die Fraktion rechts außen
Die AfD schafft es als drittstärkste Kraft in den Bundestag. Wer gehört zur Fraktion? Und wer hat künftig das Sagen? Die wichtigsten Figuren der Fraktion.
Alexander Gauland, 76, Jurist, Ex-CDU, wird das Machtzentrum der neuen Fraktion sein. Gemeinsam mit Alice Weidel war er Spitzenkandidat. Gauland ist nationalkonservativ, scheut aber Ausflüge nach rechts außen nicht. So schart er den rechten Flügel der Partei hinter sich. In der AfD-Fraktion werden alle Strömungen der zutiefst gespaltenen Partei vertreten sein, Streit ist vorprogrammiert. Die Gauland-Anhänger aber dürften in der Mehrheit sein und ihn umgehend zum Chef wählen. Hartnäckig hält sich das Gerücht, Parteichefin Frauke Petry könnte sich schon bald mit ihren AnhängerInnen abspalten. Gauland will die Fraktion mit Alice Weidel, 38, Ökonomin, führen, die selbst über kaum eine Machtbasis verfügt. Weidel galt als wirtschaftsliberal, hat sich aber radikalisiert.
Als Weidel während des Wahlkampfs unter Protest eine ZDF-Wahldebatte verließ, twitterte Markus Frohnmaier mit Blick auf Moderatorin Marietta Slomka: „Am 24.9. mache ich dich arbeitslos, Mäuschen.“ Es ist nicht die einzige Allmachtsfantasie, die der Ko-Vorsitzende der AfD-Nachwuchsorganisation Junge Alternativen von sich gibt. „Ich sage diesen linken Gesinnungsterroristen, diesem Parteienfilz, ganz klar: Wenn wir kommen, dann wird aufgeräumt, dann wird ausgemistet!“, rief der Höcke-Fan, der regelmäßig in Moskau und Belgrad auf Einladung von nationalistischen Organisationen auftritt, 2015 auf einer Kundgebung in Erfurt. Frohnmaier, 26, Jura-Student, Ex-CDU, wird künftig für die AfD im Bundestag sitzen. Er wird dort nicht der einzige extrem rechte AfD-Mann mit einer gewissen Verhaltensauffälligkeit sein.
Wilhelm von Gottberg, 77, Polizeiausbilder, Ex-CDU, aus Niedersachsen wird auch dabei sein. Der Ex-Vizepräsident des Bundes der Vertriebenen hatte im Ostpreußenblatt den Holocaust einst als „wirksames Instrument zur Kriminalisierung der Deutschen“ bezeichnet.
Martin Hohmann, 69, Polizist, Ex-CDU, ist der einzige AfD-Abgeordnete, der schon einmal im Bundestags saß. Als er 2003 in einer Rede die Täterschaft der Juden und Deutschen in der Weltgeschichte verglich und ihm daraufhin Antisemitismus vorgeworfen wurde, schloss ihn die CDU/CSU-Bundestagsfraktion aus.
Auch Detlef Spangenberg, 73, Steuerberater, Ex-CDU, wird wohl im Bundestag sitzen. Vor drei Jahren sollte er den sächsischen Landtag als Alterspräsident eröffnen. Doch dann wurde – auch durch Recherchen der taz – bekannt, dass er unter anderem dem „Bündnis Demokratie und Freiheit“ angehörte, das auf seiner Website die „Wiederherstellung der völkerrechtlichen Grenzen von 1937“ forderte.
Siegbert Droese, 49, Hotelkaufmann ist der Höcke-Gruppierung „Der Flügel“ zuzuordnen. Er bezeichnet Pegida als „Bereicherung des politischen Diskurses“.
Jens Maier, 55, Richter, Ex-SPD, sitzt künftig auch im Bundestag. Der Wahl-Dresdener, der sich selbst „kleiner Höcke“ nennt, warnt vor „Mischvölkern“ und äußerte Verständnis für den norwegischen Rechtsterroristen Anders Breivik.
Gegen Sebastian Münzenmaier, 28, Ex-Jura-Student und Ex-Mitglied der islamfeindlichen Partei „Die Freiheit“, läuft ein Prozess wegen gefährlicher Körperverletzung. Münzenmaier soll 2012 zusammen mit anderen Mitgliedern der Ultra- und Hooliganszene aus Kaiserslautern eine Gruppe Ultras aus Mainz angegriffen haben.
Über Einfluss in der Fraktion könnte künftig der Höcke-Vertraute Stephan Brandner, 51, Rechtsanwalt, Ex-CDU, verfügen. Im Wahlkampf nannten sich Brandner und sein Mitkandidat Jürgen Pohl „die Volksanwälte“. Brandner dürfte der größte Pöbler im Thüringer Landtag sein. Die Grünen brachte er in den Zusammenhang von „Koksnasen“ und „Kinderschändern“. Er könnte Vizefraktionschef werden.
Gemäßigt für AfD-Verhältnisse
Das will wohl auch NRW-Spitzenkandidat Martin Renner,63, Unternehmensberater, Ex-CDU. Doch ob sich dafür eine Mehrheit findet, ist ungewiss. Renner wirkt mit weißen Haaren und Hornbrille pastoral und sanft, doch das täuscht. Einwanderung bezeichnet er als „humanistisch kaschierte Selbstzerstörung unserer Kultur“, den Islam als „Unterwerfungsideologie“, die Erinnerungskultur als „Schuldkult“.
Gauland-Freund Armin-Paul Hampel aus Niedersachsen, 60, Journalist, Ex-CDU, werden wenig Chancen auf einen Posten in der Fraktion nachgesagt.
Im Bundestag werden aber auch – für AfD-Verhältnisse – gemäßigte Abgeordnete sitzen.
Leif-Erik Holm,47, Radiomoderator zum Beispiel. Auch er wird als Fraktionsvize gehandelt. Mit ihm als Spitzenkandidat hat die AfD in Mecklenburg-Vorpommern ihr zweitstärkstes Ergebnis bislang erzielt. Holm hat das Büro der AfD-Europa-Abgeordneten Beatrix von Storch in Brüssel geleitet, zuletzt war er Fraktionschef in Schwerin. Dort hat er den Hardlinern in der Partei wenig entgegengesetzt.
Auch Holms Exchefin Beatrix von Storch, 46, Rechtsanwältin, Ex-FDP, Herzogin von Oldenburg, könnte in der Fraktion was werden. Gemeinsam mit Weidel und Parteichefin Frauke Petry ist sie eine der wenigen bekannten Frauen in der Fraktion, die überwiegend männlich geprägt sein wird. Auf der Bühne im Traffic Club steht von Storch am Sonntag Abend neben Gauland. Nachdem dieser geredet hat, ergreift sie das Wort. Von Storch spricht von einer „parteipolitischen Revolution“ und sagt: „Refugees welcome wird wieder ein Spruch wie früher sein – von linksradikalen Spinnern.“ Mit ihrem Mann Sven betreibt von Storch, eine christliche Fundamentalistin, seit Jahren ein Lobby-Netzwerk, das sich für „Lebensschutz“ und ein reaktionäres Familienbild starkmacht. In einer Talkshow verstieg sie sich zu der Aussage, Merkel wolle sich nach Chile absetzen.
Petr Bystron, 44, Berater, Ex-FDP, galt lange als einer, der in der AfD noch was werden kann. Dank seiner Sympathie für die „Identitäre Bewegung“ ist der bayerische Landeschef jetzt – soweit man weiß – der einzige AfD-Politiker, der vom Verfassungsschutz beobachtet wird. Bei der Wahl zum bayerischen Spitzenkandidaten landete er nur auf Platz vier. Es könnte sein, dass es bei der Wahl zum Fraktionsvorstand aus Bayern eine Überraschung gibt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Trumps Krieg gegen die Forschung
Bye-bye, Wissenschaftsfreiheit!
Kritik am Deutschen Ethikrat
Bisschen viel Gott
Menschenrechtsverletzungen durch Israel
„So kann man Terror nicht bekämpfen“
Ungelöstes Problem der Erneuerbaren
Ein November voller Dunkelflauten
Altvordere sollen Linke retten
Hoffen auf die „Silberlocken“
Autobranche in der Krise
Kaum einer will die E-Autos