Porträt: Das ersehnteRadfahrtalent
Und dann auch noch Norwegen! Was brauchte es jetzt noch mehr? Alle Radsport-Experten, die schon länger der Meinung waren, dass Lennard Kämna in die (sportlichen) Fußstapfen von Jan Ullrich treten könnte, sahen sich bestätigt. 1993 hatte der damals 19 Jahre alte Ullrich in Oslo die Straßen-WM der Amateure gewonnen. Dies war der Beginn einer Karriere, die für den gebürtigen Rostocker 1997 im Gewinn der Tour de France gipfelte. Das traurige Karriereende als Dopingbetrüger sollte sich Kämna allerdings lieber sparen.
Bei der Straßenrad-WM in Bergen gewann der 21-jährige Kämna zunächst im Zeitfahren mit der Mannschaft die WM-Goldmedaille. Der Wedeler konnte sein Glück gar nicht fassen. Gewiss, bei den Junioren hatte er 2014 im spanischen Ponferrada Gold im Einzelzeitfahren gewonnen, ein Jahr später reichte es zu Bronze bei der U23. Doch als Rookie im Männerbereich solch einen Erfolg zu erzielen, ist eine andere Hausnummer.
Aufgrund des Triumphes mit der Mannschaft galt Kämna dann beim U23-Straßenrennen der WM am Freitag als Favorit. Es wurde Silber. Die Goldmedaille verpasste er knapp im Zielsprint gegen Mitausreißer Benoit Cosnefroy (Frankreich) nur um eine Radlänge. „Es war eine fast perfekte WM, schöner wäre es mit Gold gewesen. Ich bin einfach nicht vorbeigekommen. Ich kann mir nichts vorwerfen“, sagte Kämna.
Kämna hat in Bergen die Erwartungen, welche die deutsche Radsport-Szene und die Öffentlichkeit an ihn richten, voll und ganz erfüllt. Die Vergleiche mit Ullrich wird er jetzt nicht mehr los. „In Deutschland wird händeringend nach einem Rundfahrer gesucht. Man sieht, dass ich ein leichter Fahrer bin, der gut im Zeitfahren ist. Dann liegt die Behauptung immer sehr nahe“, stellte Kämna fest, schob jedoch nach: „Aber da ist noch so eine große Lücke zwischen mir und einem guten Rundfahrer, dass ich darüber ungern spekuliere.“ Und nein, er habe keine Lust, sich in eine Nische drängen zu lassen. Er wolle einfach gucken, was wird.
Dass es etwas Großes wird, daran hegen auch seine Mannschaftskollegen keine Zweifel. Über seine Leistung im Teamzeitfahren sagte der Australier Michael Matthews, der im Juli bei der Tour de France das Grüne Trikot für den besten Sprinter gewann: „Echt verrückt. Das war sehr beeindruckend für sein Alter.“
Talentcoach Dirk Reuling weiß ebenfalls, dass der junge Zeitfahrspezialist ein Rohdiamant ist. „Es ist zu früh zu sagen, ob Lennard das schaffen wird. Aber wir glauben, er hat die Voraussetzungen, sich dahin zu entwickeln“, sagte der Niederländer in der NDR-Sendung „buten und binnen“. GÖR
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