piwik no script img

VenezuelaKaum etwas dringt durch

Die Stimme aus dem Ausland

von Oscar TorresFreier Journalist, Caracas

Der laufende deutsche Wahlkampf nimmt in venezolanischen Medien wenig Raum ein. Zu erdrückend sind die innenpolitischen Nöte, die den Alltag der rund dreißig Millionen Einwohner beherrschen. Was das deutsche Wahlsystem und die Parteienlandschaft angeht, herrscht Unwissen. Dabei spielt sicherlich eine Rolle, dass internationale Printmedien aufgrund der politischen Situation und der venezolanischen Inflation kaum noch zu haben sind.

Als Angela Merkel jüngst ankündigte, dass europäische Staaten künftig verschiedene Maßnahmen gegen die Regierung von Präsident Nicolás Maduro ergreifen könnten, dürfte sie von der Opposition in Venezuela ziemlich gefeiert worden sein. Ihre aller Wahrscheinlichkeit nach eintretende Wiederwahl wird hier noch positiver gesehen werden. Derweil gerät mit Parlamentspräsident Julio Borges ein führender Oppositionspolitiker unter Druck: Die Regierung hat ihren Vorteil der „Kommunikationshegemonie“ benutzt, um eine große Propagandaaktion zu starten und Borges des Vaterlandsverrats anzuklagen, weil er in Europa war – und dort um eine „Intervention in die inneren Angelegenheiten Venezuelas“ ersucht habe.

Diese Kommunikationshegemonie hat die Regierung erreicht, indem sie zahlreiche Radiostationen sowie nationale und regionale Zeitungen gekauft oder neu gegründet hat. Außerdem kontrolliert die Regierung die Einfuhr von Papier und Tinte und überhaupt allem, was in Devisen bezahlt werden muss. Die Ausübung des Journalismus hängt somit, wie so viele andere Aktivitäten auch, von den Entscheidungen einer von der Regierungspartei dominierten Bürokratie ab.

Lediglich einige wenige Radiosender der Hauptstadt berichten über Aktionen der Opposition, ihre Projekte und Kandidaten, womit ein Klima geschaffen wird, das der Meinungsfreiheit nicht zuträglich ist. Und deshalb hat es jede Nachricht aus Deutschland oder von sonst wo auf der Welt, die den Interessen der Regierung nicht entsprechen könnte, sehr schwer, überhaupt veröffentlicht zu werden. Nur die sozialen Netzwerke, von WhatsApp über Twitter bis Instagram, bieten ein wunderbares Informationspanorama – mit allen Ungenauigkeiten. Jedenfalls, bis die Regierung auch diese Medien kontrolliert, was sie sicher bald tun will.

Die spanischsprachigen Sendungen der Deutschen Welle liefern per Satellit und Kabel Informationen über den deutschen Wahlkampf. Aber das wird für den Großteil der Bevölkerung zu teuer, der sich gezwungen sieht, immer mehr Geld für den Grundbedarf an Lebensmitteln auszugeben, deren Preise ständig steigen. Nachrichten aus anderen Ländern können sich nur noch diejenigen leisten, deren Einkommen deutlich über dem Durchschnitt liegt.

Übersetzung Bernd Pickert

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen