Abtreibung

Am Samstag demonstrieren sogenannte LebensschützerInnen mit ­einem Schweigemarsch gegen Schwangerschaftsabbrüche

„Wichtig ist Aufklärung über Akteure“

Propaganda AbtreibungsgegnerInnen nutzen eine feministische Lücke, sagt Forscherin Eike Sanders

Eike Sanders

37, ist Sozialwissenschaftlerin und Mitarbeiterin beim Antifaschistischen Pressearchiv und Bildungszentrum Berlin apabiz. Im Oktober erscheint eine apabiz-Studie zu „LebensschützerInnen“, sie ist eine der AutorInnen.

taz: Frau Sanders, seit Jahren erstarkt die aus den USA stammende sogenannte Lebensschutzbewegung, für die Abtreibung Mord ist, auch in Deutschland. Wie sehen deren Aktivitäten hierzulande aus?

Eike Sanders: Die Bewegung ist auf vielen Ebenen aktiv. Sichtbar wird sie vor allem durch große Demos in Städten wie Berlin, Münster, München. Die AktivistInnen stehen aber auch bundesweit vor gynäkologischen Praxen, die Abtreibungen durchführen. Sie bedrängen Frauen, die dort hinein gehen, und greifen ÄrztInnen an. Mittlerweile sind sie durch eine aggressive Pressearbeit bis auf EU-Ebene vorgedrungen.

Was wollen sie dort erreichen?

Mit großer Professionalität und mit finanzstarker Unterstützung aus katholischen Netzwerken versuchen sie Einfluss zu nehmen auf EU-Gesetzgebungsverfahren. Dabei verwenden sie Narrative wie „vorgeburtliche Kindstötungen“ oder argumentieren gegen die in ihren Augen behindertenfeindliche Pränataldiagnostik. Dazu sind sie homo- und transfeindlich. In Kroatien haben sie ein Gesetz lanciert, das die Ehe ausschließlich als heterosexuelle Verbindung definiert.

In der AfD finden die „LebensschützerInnen“ Unterstützung.

Die AfD hat keine geschlossene Position in der Abtreibungsfrage, aber in einzelnen Personen wie Beatrix von Storch offene BefürworterInnen der Lebensschutzbewegung. Ebenso profitiert die AfD von ihr: Antifeminismus und Genderfeindlichkeit werden so auf die politische Agenda gehoben und in politische Diskurse gespült.

Die meisten Menschen hierzulande befürworten das Recht auf die freie Entscheidung der Frau. Warum fühlt sich die Bewegung im Aufwind?

Sie fühlt sich moralisch im Recht. In ihren Augen befindet sich die Gesellschaft im Untergang, und die „LebensschützerInnen“ sehen sich als VerteidigerInnen christlicher Werte.

Wie kann man die Bewegung bekämpfen?

Durch lauten Widerspruch. Die „LebensschützerInnen“ haben geschickt die Lücke genutzt, die durch das feministische Selbstverständnis entstanden ist, dass Frauen ein Recht auf Abtreibung haben. Dieses Sich-sicher-fühlen ist aber gefährlich, wie man sieht. Unabdingbar ist Aufklärung über die Akteure und deren christlich-fundamentalistische bis extrem rechte ­Propaganda.

Simone Schmollack