piwik no script img

Strafmaß im NSU-ProzessLebenslang heißt nicht bis zum Tod

Trotz der Forderungen der Ankläger: Beate Zschäpe wird vermutlich nur rund zwanzig Jahre hinter Gittern verbringen müssen.

Dass Beate Zschäpe bis an ihr Lebensende hinter Gittern bleibt, ist unwahrscheinlich (Archivbild 2013) Foto: dpa

Freiburg taz | Die Bundesanwaltschaft hat verlangt, dass Beate Zschäpe zu lebenslanger Freiheitsstrafe mit Feststellung der besonderen Schwere ihrer Schuld verurteilt wird. Daneben soll noch Sicherungsverwahrung verhängt werden. Was bedeutet das?

Die lebenslange Freiheitsstrafe wird mindestens 15 Jahre lang vollstreckt. Dabei wird die Untersuchungshaft angerechnet. Nach 15 Jahren ist eine Strafaussetzung zur Bewährung möglich, wenn der Täter nicht mehr gefährlich ist. Hierzu muss ein Sachverständigengutachten eingeholt werden. Solange die Gefahr neuer Gewalttaten besteht, ist eine Entlassung ausgeschlossen.

Hat das Strafgericht eine besondere Schwere der Schuld festgestellt, ist eine Entlassung nach 15 Jahren in der Regel nicht möglich. Das Strafvollstreckungsgericht prüft dann kurz vor Ablauf der 15 Jahre, ob die besondere Schwere der Schuld eine Fortsetzung der Haft gebietet. In die Entscheidung fließt neben der Tat auch das Verhalten des Täters im Gefängnis und sein Gesundheitszustand ein. Wenn eine Entlassung nach 15 Jahren abgelehnt wird, legt das Gericht eine weitere Mindestverbüßungszeit von einigen Jahren fest. Wenn diese zusätzlichen Jahre verstrichen sind, ist der Strafgefangene aber wiederum nur dann zu entlassen, wenn die Sicherheitsprognose des Sachverständigen positiv ist.

Eine Sicherungsverwahrung ist neben einer lebenslangen Freiheitsstrafe kaum relevant. Denn die Sicherungsverwahrung setzt eine nach Verbüßung der Strafe fortdauernde Gefährlichkeit voraus. Doch die lebenslange Freiheitsstrafe wird ohnehin erst dann zur Bewährung ausgesetzt, wenn keine Gefährlichkeit mehr besteht. Der Bundesgerichtshof hat im Juni 2017 dennoch die Verhängung von Sicherungsverwahrung neben lebenslanger Freiheitsstrafe zugelassen, weil hier der Staat nach der Entlassung länger Kontrollmöglichkeiten hat.

Dass die jetzt 42-jährige Beate Zschäpe in 15 oder 20 Jahren noch so gefährlich ist, dass sie bis zu ihrem Lebensende hinter Gittern bleiben muss, ist wohl eher unwahrscheinlich.

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

9 Kommentare

 / 
  • Die Frage ist doch ob ihr eine Täterschaft nachgewiesen werden kann.

    • @Ansgar Reb:

      Eine Mittäterschaft ist ausreichend für eine Verurteilung und für eine solche wurde hinreichend Nachweis erbracht.

  • 2G
    2730 (Profil gelöscht)

    So sehr ich Herrn Raths Ausführungen normalerweise schätze, bin ich doch jetzt beleidigt: Ich bin also nicht mehr gefährlich... Herr Rath, kommen Sie erst mal in mein Alter! Sowas ist doch wirklich Altersdiskriminierung...

  • Warum sollte eine 57- oder 62-Jährige völlig ungefährlich sein? Das wird zu gegebener Zeit zu entscheiden sein.

     

    @GRMPF Was die Staatsanwaltschaft dazu gesagt hatte, wurde hier in der taz bereits berichtet.

     

    Ansonsten warten wir alle mal auf das Urteil ...

  • Mich würde interessieren: kann man Beate Zschäpe eine direkte Beteiligung bzw. Ausführung eines Mordes nachweisen?

    • @Grmpf:

      Was genau würde das ändern?

       

      Man weiss bis heute bei einer Reihe terroristischer Gewaltaten der RAF auch nicht, welche Mitglieder explizit daran beteiligt waren.

       

      Die meisten wurden allein aufgrund ihrer "Zugehörigkeit zu einer terroristischen Vereinigung" zu ähnlichen Haftstrafen verurteilt.

       

      Haben Sie sich da jemals in dieser Weise zweifelnd geäußert?

      • 8G
        82741 (Profil gelöscht)
        @cursed with a brain:

        Nö, die von der RAF wurden schon wegen nachgewiesener Beteiligung an echten Morden mit echten Toten zu "ähnlichen Haftstrafen" verurteilt, nicht "allein aufgrund ihrer »Zugehörigkeit zu einer terroristischen Vereinigung«". Das "allein" ist eine putzige Verharmlosung kaltblütiger MörderInnen.

        • @82741 (Profil gelöscht):

          Es wird immer wieder betont, dass die Ermittler zu den Morden der RAF hinsichtlich der tatsächlichen Beteiligung nach wie vor "im Dunkeln" tappen. Weil sämtliche Verdächtigen gemeinsam über die Tathergänge schweigen. Es gibt keine "nachgewiesene Beteiligung" einzelner, es gibt lediglich "Bekennerschreiben" der Gruppe und vermutete Zuordnungen seitens der Behörden. Die Verurteilungen basieren auf der erkannten "Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung".

           

          Und wieso betonen Sie, die Morde der RAF seien - offenbar im Gegensatz zum NSU - "echte Morde mit echten Toten" gewesen? Zählen Migranten für Sie nicht als Mordopfer? Oder nicht als Menschen?

      • 8G
        83379 (Profil gelöscht)
        @cursed with a brain:

        Der Rechtsstaat darf sie auch nicht selbst alle Werkzeuge aus der Hand nehmen gegen seine Feinde. Terrorismus muss als Anklage für eine lebenslange Haftstrafe reichen.