Chatprotokolle der AfD: „Recht hat er“

Holger Arppe hat die AfD nach Veröffentlichung seiner Chats verlassen. Andere AfDler stimmen in den Protokollen ihrem Parteifreund zu.

Porträt De Fernandes

Der AfD-Abgeordnete und Chatpartner Thomas Jesus de Fernandes Foto: dpa

Hamburg taz | Der Schweriner AfD-Fraktionschef Leif-Erik Holm zeigte sich am Donnerstag entsetzt über die Chatprotokolle seines zurückgetretenen Stellvertreters Holger Arppe. Die seien „haarsträubend bis ekelerregend“, sagte er. Holm begrüßte den Rückzug Arppes aus der AfD-Fraktion in Mecklenburg-Vorpommern und Arppes Austritt aus der Partei.

In den Chats wird davon geträumt, das „ganze rotgrüne Geschmeiß aufs Schafott“ zu schicken, Vergewaltigungsfantasien werden ausgebreitet. „Solche Vorstellungen passen nicht zur AfD. Die AfD ist eine bürgerlich-konservative Partei“, betonte Holm. Arppe galt als möglicher Nachfolger Holms für den Fall, dass dieser im September in den Bundestag einzieht. Bei den Wahlen vom September 2016 war die AfD mit 20,8 Prozent zweitstärkste Kraft im Schweriner Landtag geworden.

Laut Recherchen von taz und NDR waren an den Chats aber auch weitere heutige Landtagsabgeordnete der Fraktion beteiligt. In den Dialogen erfährt Arppe bei mehreren Aussagen zu Politik und Strategie Bestätigung. Am 2. Mai 2015 berichtet laut Chat Arppe begeistert von einem damaligen FDP-Bürgerschaftskollegen aus Rostock. Er schreibt von dessen „Waffenschrank in der Garage“ und meint: „Der Typ würde perfekt in unsere Reihen passen.“

Eine Stunde später reagiert im Chat der heutige AfD-Landtagsabgeordnete Thomas de Jesus Fer­nandes mit Fragen und erfährt von Arppe: „Er glaubt, dass es fast schon zu spät ist, da der Organisationsvorsprung der Linken kaum noch aufzuholen ist. Und wenn jetzt auch noch die AfD scheitert, dann ist es eben gut, wenn man einen Schrank voller Gewehre und ne Munitionskiste in der Garage hat.“ „Recht hat er!“, lautete nach nur 2 Minuten die Antwort von de Jesus Fernandes im Chat.

Kein Widerspruch zu Gewaltaufrufen

Als Arppe laut den Protokollen am 11. August 2015 darüber schwadroniert, das „rotgrüne Geschmeiß aufs Schafott“ schicken zu wollen, ist es wieder de Jesus Fernandes, der kommentiert: „Du weißt aber schon das dieses Rotgrüne Geschmeiß trotz ihre Abartigkeit nur willfährige Erfüllungsgehilfen sind“ (Fehler im Original). Widerspruch klingt anders.

Auch der Name des heutigen AfD-Landtagsabgeordneten Sandro Hersel taucht in dem Chat auf. Im April heißt es unter Hersels Namen: „Brennende Flüchtlingsheime sind kein Akt der Aggression.“ An anderer Stelle wird diskutiert, welche Voraussetzungen Ordnungskräfte für die AfD haben sollten. Entsprechend den Protokollen meint Hersel im November 2015, eine Vorstrafe für Mitglieder des Saalschutzes „sollte Voraussetzung sein“, die Ordner sollten „groß, kahl und tätowiert“ sein. Anfang Januar 2015, nach dem Anschlag auf die Zeitschrift Charlie Hebdo und einen jüdischen Supermarkt in Paris, ließ Hersel Gewaltfantasien freien Lauf. Als er erfährt, dass sich die islamistischen Attentäter in einem von der Polizei umstellten Haus verschanzt haben, schreibt er: „Wenn sie rauskommen in die Beine schießen, anschließend ne jüdische Polizisten vorschicken, damit sie es mitbekommen und vollstrecken lassen“ (Fehler im Original).

Sandro Hersel, AfD

„Welchen Delegierten müssen wir eigentlich noch die Reifen ­zerstechen?“

Gewaltfantasien hegt Hersel im Chat auch gegen Linke und innerparteiliche Gegner. „Da werden wir uns den Weg wohl freischießen müssen“, schreibt er anlässlich geplanter Blockaden von Gegendemonstranten. In der Hochphase des Machtkampfs zwischen Bernd Lucke und Frauke Petry bemerkt er: „Welchen Delegierten müssen wir eigentlich noch die Reifen zerstechen, damit unser LV geschlossen auf Kurs bleibt?“

Kurz nach dem Aufkeimen der Pegida-Bewegung entsteht in Rostock unter neonazistischer Führung ein Ableger namens „Rogida“. In den Protokollen von Hersel ist im Dezember 2014 vermerkt: „falls jemand bei ROGIDA (oder MVGIDA, hab vergessen welche Truppe) mithelfen will, kann er sich bei mir melden. Wurde gestern angesprochen und könnte nen Kontakt herstellen.“

Der taz-Anfrage nach einer Stellungnahme kamen die beiden AfD-Abgeordneten bis zum Freitagnachmittag nicht nach.

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