Jörn Kabisch Angezapft :
Langsam fällt das Tabu, dass außer Hopfen und Malz weiter nichts ins Wasser darf. Schon im vorigen Jahr ist mir das ins Auge gefallen. 2016 war das 500. Geburtsjahr des bayerischen Reinheitsgebots, und wie zum Fleiß experimentierten die Brauer zu diesem Datum mit Aromenzugaben. Ob Rharbarber-Weiße oder Gurkengose – nach belgischem Vorbild werden Früchte oder sogar Gemüse mit dem Bier vergoren. Am bekanntesten ist sicher Kriek, das traditionelle Kirschbier. Aber auch Himbeeren oder Weintrauben wandern zwischen Brügge und Lüttich mit ins Fass.
Wie aber macht sich der Wald im Bier? Dieser Frage geht seit einigen Jahren Axel Kiesbye nach, Braumeister der Trumer Privatbrauerei im Salzburger Land. Er arbeitet mit den Forsten zusammen und mischt Tannentriebe oder Kiefernzapfen in den Sud.
Die Idee ist nicht neu. Vor dem Siegeszug des Hopfens zu Beginn der Reformationszeit wurden Kräuter zur Aromatisierung und Konservierung von Bier eingesetzt, regional unterschiedlich. Als „Grutbier“ wird das mittelalterliche Gebräu heute bezeichnet. Es konnte Rosmarin genauso enthalten wie Tollkirsche oder Wermut, in Nordseenähe oft die an Lorbeer erinnernden Blätter des Gagelstrauchs, anderswo Fichtennadeln oder Kümmel. Oft wurde mit Hopfen, schon immer eine teure Bierzutat, gemischt.
Ähnlich verfährt Kiesbye. Nach Jahren, in denen er mit verschiedensten Zapfenarten experimentierte, ging er 2016 zu Wacholder über und gab junge Zweige und junge Beeren in das Bier. Es ist von allen Waldbieren das geworden, das geschmacklich am ehesten als „normales“ Bier einzuordnen ist.
Bei Wacholder denkt man unweigerlich an Gin, noch immer einer der angesagtesten Spirituosen. Das typisch pfeffrige Ginaroma ist aber angenehmerweise zurückhaltend. Der helle obergärige Bock – ein Strong Ale der Beschreibung nach – fließt goldgelb und klar ins Glas. Der Duft über dem kompakten, weißen Schaum ist kräuterig, riecht schon leicht nach Harz. Beim ersten Schluck zeigt sich eine lebendig moussierende Kohlensäure, die sich aber schnell auflöst und das erst leicht ölige Bier quellfrisch macht. Das Harzige ist nun ausgeprägter, harmoniert aber gut mit süßen Honigtönen. Dann meldet sich eine angenehm herbe Bitterkeit. Der hohe Alkoholgehalt des Biers ist nicht zu spüren. Es hat einen elegant trockenen Körper und passt deswegen nicht nur zu Fleisch, auch zu einer mild geräucherten Forelle oder zu Nudeln mit Pfifferlingen ist es eine interessante Begleitung.
Kiesbye’s Waldbier, Bierkulturhaus Obertrum, Alkohol 7,2 Vol.-%
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