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Nur wer loyal ist, darf demonstrieren

AfgHanistan Regierung schränkt das Demonstrationsrecht drastisch ein. Zivilgesellschaft protestiert

Demonstrantenreihe der Hasara-Minderheit in Kabul Foto: A. Masood/reuters

BERLIN taz | Die afghanische Regierung unter Präsident Aschraf Ghani will das bisher vergleichsweise liberale Versammlungsgesetz im Land erheblich verschärfen. Ein entsprechender Gesetzentwurf liegt bereits dem Kabinett vor. Der Entwurf, der erst durch ein Medien-Leak bekannt wurde, enthält eine ganze Reihe repressiverer Maßnahmen sowie Gummiparagrafen und Kuriosa.

So will das neue Gesetz den Afghanen vorschreiben, dass sie nur mit „reformerischen Absichten“ auf die Straße gehen dürfen und nicht mit „ethnischen, religiösen und regionalen“ Anliegen – und das in einem sehr diversen Land, wo gerade solche Themen stark mobilisieren. Proteste können selbst nach Erteilung einer Genehmigung von der Polizei abgesagt werden. Es gibt zwar ein Einspruchsrecht, aber das letzte Wort haben dann nicht Gerichte (die in Afghanistan kaum unabhängig sind), sondern der Innenminister oder der Provinzgouverneur. Sit-ins, die länger als drei Tage dauern, wären sowieso verboten.

Vor allem sollen die Organisatoren von Protesten persönlich für alles haften, was sich bei einer Demo an gesetzwidrigen Handlungen ereignet, unabhängig davon, ob sie direkt daran beteiligt waren oder nicht. Sie sollen sogar jene „identifizieren“ und der Polizei angeben, die während Protesten gewalttätig werden. Wenn sie dazu nicht in der Lage seien, erhält die Polizei freie Hand.

Die Gesetzesinitiative ging vom Nationalen Sicherheitsrat aus, der direkt dem Präsidenten untersteht. Sie folgt auf eine Serie von Großdemonstrationen einer breiten, aber keinesfalls einigen Protestbewegung. Seit 2016 geht vor allem die schiitische Minderheit der Hasara gegen soziale Benachteiligung auf die Straße. Viele ihrer Anführer werfen der Regierung ethnische Diskriminierung vor.

Die erste dieser Demos fand im November 2015 statt, nachdem eine islamistische Splittergruppe eine Gruppe von 31 Hasaras aus einem Überlandbus entführt hatte. Während einer Befreiungsaktion – ausgeführt von den Taliban, nicht von Regierungstruppen – brachten die Kidnapper sieben der Entführten um. Mehrere zehntausend Kabuler, hauptsächlich Hasaras, zogen vor den Präsidentenpalast und organisierten ein Sit-in. Vor allem junge Leute aus der Zivilgesellschaft und diverse ethnische und militante Gruppen schlossen sich an und riefen zum Sturz der Regierung auf. Heißsporne versuchten, die Sperrmauer um den Palast zu überklettern.

Ähnliches wiederholte sich nach den Terroranschlägen Ende Mai, als fast 100 Zivilisten starben und auch die deutsche Botschaft stark beschädigt wurde. Die Polizei schoss auf Demonstranten, von denen einige gewalttätig geworden waren, selbst Schusswaffen trugen und nach Polizeiangaben auch eingesetzt haben sollen. Mindestens sieben Menschen starben bei den tagelangen Protesten. Bewaffnete waren zuvor schon mehrmals bei ethnopolitischen Protesten gesichtet worden. Gerade diese Gruppen werden von mächtigen Politikern protegiert, die zum Teil in Regierungsämtern sind. Von ihnen fühlt sich die Regierung besonders bedroht.

NGOs und die unabhängige Menschenrechtskommission des Landes protestierten heftig gegen den Entwurf. Er stehe „allen demokratischen Werten und Prinzipien entgegen“ und erinnere an die Zeit des kommunistischen Regimes in den 1980er Jahren; einige Passagen verletzten die Verfassung. Im letzten Augenblick setzten sie durch, dass sie konsultiert werden. Die Regierung hat sie aufgefordert, ihre Vorschläge schriftlich einzureichen. Aber das ist keine Garantie, dass sie wirklich ernst genommen werden. Thomas RuttigEhsan Qaane

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