Alternative zum Jugendknast: Viel Lärm vorab
Eine Jugendhilfeeinrichtung zur Haftvermeidung sorgt für heftige Wortwechsel. Bei der Beiratssitzung kann die Sozialbehörde viele Anwohner nicht besänftigen
Thomas Pörschke, Fraktionssprecher der Grünen im Beirat Vegesack, der als Vertreter des Sozialressorts gekommen ist, bezeichnet es selbst als ein „hoch emotionales Thema“. An diesem Abend muss er sich vor den wütenden BürgerInnen in der Beiratssitzung rechtfertigen.
Er betont immer wieder, dass die Verhandlungen mit der Inneren Mission, dem Träger der Einrichtung, noch nicht abgeschlossen sind. Doch auch diese Aussage beschwichtigt viele Anwesende kaum. „Wir haben in Bremen in diesem Bereich der Haftvermeidung eine Lücke, die wir schließen müssen“, sagt Pörschke. Immer wieder kommen Zwischenrufe aus dem Publikum: „Das sind doch alles Straftäter“ oder „Diese Antworten wollen wir gar nicht hören“.
Die Wortbeiträge der Beiratsmitglieder reichen von Polemik bis hin zu wenigen konstruktiven Fragen. Frank Magnitz, Beiratsmitglied und AfD-Spitzenkandidat bei der Bundestagswahl, trägt nichts Konstruktives bei. „Jedes Verkehrsvergehen wird härter geahndet als die Straftaten dieser sogenannten Jugendlichen“, sagt Magnitz. Sein Beiratsnebenmann Timo Koschnick von der FDP kontert: „Ich spüre viel heiße Luft von rechts.“ Viele Zuhörer lachen.
Heike Boll von den Bürgern in Wut prangert die Verschwendung der Steuergelder an. „Welches Geistes Kind sind sie, so viel Geld auszugeben“, ruft Boll. Die Kosten für die Betreuung belaufen sich pro Jugendlichen auf 360 Euro am Tag. Das Argument, dass die Unterbringung im Jugendgefängnis ebenfalls hohe Kosten verursacht, überhört sie.
SPD- und CDU-Beiratsmitglieder fühlen sich vor allem unzureichend informiert. „Die Sozialbehörde soll jetzt den Scherbenhaufen, den sie hinterlassen hat, zusammenkehren“, sagt Beiratssprecher Martin Hornhues, CDU. Reinhard Hennig, SPD-Beiratsmitglied, nennt die Informationspolitik der Senatorin eine „Verarscherei“.
„Ich glaube nicht, dass die veranschlagten 300.000 Euro für die Sanierung der Gebäude in der Käthe-Kollwitz-Straße ausreichen“, sagt ein pensionierter Sonderschullehrer, der seit über 40 Jahren in der Straße wohnt. Auch eine andere Anwohnerin spricht von „Schimmelbefall“ und „Ratten“ in dem Objekt.
Birgit Struß, pädagogische Leiterin
Eine andere Unterkunft für straffällige junge Flüchtlinge in Rekum wird dagegen bis Ende Oktober geschlossen. „Wir haben gemeinsam mit dem Träger entschieden, den Standort aufzugeben“, sagt David Lukaßen, Sprecher der Sozialbehörde. Einen direkten Zusammenhang zwischen der Schließung in Rekum und der neuen Einrichtung in Lesum gebe es nicht, so der Sprecher.
Viele Anwohner sind beunruhigt, weil sie befürchten, die Jugendlichen könnten eine Gefahr darstellen. „Die Nachbarn in der Rekumer Straße waren wenig betroffen“, sagt dagegen Birgit Struß, pädagogische Gesamtleiterin der Einrichtung in Rekum. Wenn die Jugendlichen die Regeln nicht einhalten, kämen sie in den Knast, so Struß.
„Die Jugendlichen werden starke Auflagen haben, auch wenn die Türen nicht verschlossen sind“, sagt Katharina Kähler, Leiterin für unbegleitete minderjährige Ausländer bei der Inneren Mission. In der Einrichtung solle es darum gehen, sich mit den begangenen Taten auseinanderzusetzen.
Für den Beirat bleiben noch viele Fragen offen – er fordert vor einer Entscheidung eine weitere Informationsveranstaltung, bei der auch die Sozialsenatorin anwesend sein soll.
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