: OFF-KINO
Off-Kino
Lars Penning
Filme aus dem Archiv– frisch gesichtet
Die russische Oktoberrevolution ist Ausgangspunkt des Liebes- und Kriminalmelodrams „Die Liebe der Jeanne Ney“ (1927), mit dem in diesem Jahr die UFA-Filmnächte im Kolonnadenhof der Museumsinsel eröffnet werden. Gerade wurde der Film von G. W. Pabst mit der tollen Brigitte Helm in der Hauptrolle digital restauriert; die Musik spielt dazu live das WDR Funkhausorchester Köln. Seinerzeit wirbelte das Melodram, dessen Handlung zu verwickelt ist, um sie hier auch nur ansatzweise wiederzugeben, einigen Staub auf: Ilja Ehrenburg, der Autor der literarischen Vorlage, sprach stets nur sehr ironisch von der Verfilmung, die seiner Ansicht nach den politischen Aspekt zugunsten von Kolportage und Unterhaltung vernachlässigte. Aus heutiger Sicht ist der Film ein Beispiel für die große technische und künstlerische Reife des deutschen Stummfilmkinos der 1920er Jahre, ebenso wie F. W. Murnaus „Der letzte Mann“ (1924), der am zweiten Tag der Filmnächte von der UFA Brass der Deutschen Oper Berlin vertont wird. Murnaus Kammerspiel mit Emil Jannings als alterndem Hotelportier gilt vor allem aufgrund des prominenten Einsatzes der beweglichen, sogenannten „entfesselten“ Kamera als Klassiker (Die Liebe der Jeanne Ney, 22. 8., 21 Uhr, Der letzte Mann, 23. 8., 21 Uhr, Kolonnadenhof der Museumsinsel).
Ebenfalls melodramatisch kommt „Der Fluch der goldenen Blume“ (2006) des chinesischen Regisseurs Zhang Yimou daher, eine einfallsreich inszenierte Geschichte um den Zerfall einer Kaiserfamilie der Tang-Dynastie im Jahr 928 n. Chr. Im Mittelpunkt steht die Kaiserin (Gong Li), die von ihrem Mann langsam vergiftet wird und selbst längst den Umsturz geplant hat, der ihren Sohn Prinz Jie auf den Thron bringen soll. Praktisch jeder hat hier etwas zu verbergen, doch der Einzige, der in diesem Geflecht von Intrigen und Rachegelüsten halbwegs den Überblick behält, ist der Kaiser (Chow Yun-Fat): ein Mann, der sich hinter einem undurchdringlich patriarchalischen Lächeln verschanzt und stets gegen alle Eventualitäten gerüstet ist. So nimmt ein Drama seinen Lauf, das auf eine von dem berühmten Action-Regisseur Ching Siu Tung brillant choreografierte Schlacht zuläuft. Natürlich sind die Kämpfe spektakulär, allerdings ist hier nichts so berührend wie das Gesicht Gong Lis, die hinter den Schichten aus goldener Kleidung und Make-up, inmitten einer Welt der Rituale und Zeremonien mit den Tränen der Wut und Verzweiflung kämpft. Der Film läuft im Babylon Mitte in einer Reihe mit Klassikern des Hongkong-Kinos (OmU, 19. 8., 17.45 Uhr, Babylon Mitte).
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