piwik no script img

Norwegen und der UmweltschutzGrünes Geld aus dreckigem Öl

Öko-Pionier Norwegen schreibt eine Rekordzahl von Ölfeldern zur Erkundung aus. Als Produzent bediene man nur die Nachfrage.

Nicht so richtig grün: Im Juli protestierte Greenpeace gegen Norwegens Erdölförderung Foto: reuters

Stockholm taz | „Kognitive Dissonanz“ wirft die NGO Oilchange International der norwegischen Regierung vor. Das Auseinanderklaffen von Wissen und Handeln wird in ihrem Bericht „The Sky’s Limit“ in Zusammenarbeit mit fünf norwegischen und internationalen Klima- und Naturschutzorganisationen thematisiert.

Das Land habe mit seinem Öl- und Gasexport einen Anteil von jährlich 500 Millionen Tonnen am globalen CO2-Ausstoß – zehnmal mehr, als in Norwegen selbst freigesetzt werde –, wird da vorgerechnet: Und die jetzt schon erschlossenen Öl- und Gasfelder würden die Erdatmosphäre in den kommenden Jahren mit weiteren 8 Milliarden Tonnen aufheizen.

Trotzdem würden vor allem in arktischen Gewässern fleißig weiter neue Förderlizenzen erteilt. Die könnten in den kommenden 50 Jahren zu einem zusätzlichen CO2-Ausstoß von 12 Milliarden Tonnen führen. „Die Regierung scheint völlig blind zu sein, was diesen Widerspruch angeht“, konstatieren die Rapportverfasser.

Der Vorwurf ist nicht neu, aber mal wieder besonders aktuell. Oslo hat dieses Jahr die Rekordzahl von 93 Feldern in der Barentssee zur Erkundung ausgeschrieben. „Ein absoluter Wahnsinn“, kritisiert Ingrid Skjold­vær, Vorsitzende der Organisation Natur og Ungdom, die hinter „The Sky’s Limit“ steht: „Dabei müsste doch jeder begriffen haben, dass jede zusätzliche Öl- und Gasförderung in der Arktis mit unseren in Paris eingegangenen Klimaverpflichtungen unvereinbar ist.“

Bislang will Oslos „Ölkoalition“ in Form der drei großen Parteien, der Ölbranche und der Gewerkschaften davon nichts wissen: Als Produzent bediene man nur eine Nachfrage, die andere Produzenten decken würden, sollte Norwegen seine Produktion herunterfahren. 40 Prozent des Exporteinkommens hingen am Öl: Der bisherige Wohlfahrtsstaat sei ohne diese Einnahmen nicht zu finanzieren.

So argumentiere, wer nicht über den Ölhorizont hinausdenkt, kritisiert Thina Saltvedt, Ölanalytikerin der Nordea-Bank: Erfüllten die Staaten ihre Verpflichtungen aus dem Paris-Abkommen, werde das Ölzeitalter viel früher zu Ende gehen, als man sich das jetzt vorstellen könnte.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

4 Kommentare

 / 
  • Auch beim Strom. Norwegen verkauft >60% seiner Grünstromzertifikate ins Ausland, ruft aber man sei fast 100% renewable. Stimmt ja auch in der Erzeugung, nur im Verbrauch ist man ~40% fossil und nuklear.

  • Der andere Teil des Problems ist der Staatsfonds, der die Zuflüsse aus dem Ölgeschäft verwaltet.

     

    Hier herrschen sehr hohe Anforderungen an das Investment; Fokus bei Energierzeugungsprojekten/Beteiligungen nur im Bereich renewables.

     

    Medikamente gegen Schizophrenie werden dem Management dort wohl zwangsweise verabreicht.

  • Das ist wie Deutschland: Frieden predigen und Waffen verkaufen.

  • Norwegen ist wie Venezuela nur mit einer guten Regierung. Der Wohlstand basiert auf dem Öl. Wenn das Erdölzeitalter vorbei ist, wir man sich umgucken.