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Fiction Der Schriftsteller Arthur C. Clarke wusste schon 1979, wie man Weltraumfahrstühle bautNichts ist unmöglich

Die Unendlichkeit des Alls. Wie kommt man da hin? Foto: Tetra Images/getty images

Von Alexander Diehl

Ein Dinosaurier („Serendipaceratops arthurcclarkei“) und ein Asteroid („4923 Clarke“) sind nach ihm benannt, und auch der geostationäre Orbit erinnert im Englischen – Clarke Orbit – an den Physiker und Science-Fiction-Schriftsteller Arthur Charles Clarke.

Der 2008 verstorbene Brite hatte 1945 in seinem Aufsatz „Extra-terrestrial Relays – Can Rocket Stations Give World-wide Radio Coverage? als Erster die Idee erdumspannender Kommunikation mithilfe von Satelliten vorgeschlagen. Die Umlaufbahn dieser Satelliten sollte dabei genauso bemessen sein, dass sich die Schwerkraft in Richtung Erde und die entgegengesetzt wirkenden Kräfte in Folge der Erdrotation aufheben.

Hunderte solcher Satelliten rotieren heute in dem nach Clarke benannten Orbit in 35.786 Kilometern Höhe.

Von diesen geostationären Satelliten ist es kein weiter Weg zum „space elevator“, dem Weltraumfahrstuhl, dem „Fahrstuhl zu den Sternen“, wie der deutsche Titel des 1979 erschienenen Romans „The Fountains of Paradise“ von Clarke hieß. Darin ersinnt der Autor, der schon 1965 mit Regisseur Stanley Kubrick den Stoff für den Film „2001 – Odyssee im Weltraum“ geschrieben hatte, ein fragiles, 35.000 Kilometer hohes Gebildes zum kostensparenden Transport von Lasten in den Weltraum. So wie auch die Idee mit der Satellitenkommunikation ist auch diese Idee des Weltraumlifts nicht originär von Clarke. Aber er war es, der diese Ideen populär machte und verfeinerte.

So formulierte er eine fantastische Lösung für das bis heute zentrale Problem an allen Fahrstuhl-Überlegungen: Es gibt noch kein Material, das gleichzeitig leicht und stabil genug ist, um daraus das Kabel herzustellen, an dem solche Fahrstühle emporfahren sollen. Im Roman beschreibt Clarke einen „unsichtbaren Draht“, bestehend aus einem „kontinuierlichen, pseudoeindimensionalen Diamantkristall“. Dabei handelt es sich um Kohlenstoff, der mit nicht näher benannten Spurenelementen angereichert ist: „Dieses Zeug kann man in Mengen nur an Bord der Orbitalfabriken herstellen, wo die Schwerkraft den Wachstumsprozess des Kristalls nicht beeinflusst.“

Das Ziel ist, dass schließlich eine riesige Raumstation die unwirtliche Erde wie eine Radnabe umspannt. Die „Ringstadt“ ist die Achse, deren Speichen sechs Weltraumfahrstühle sind. Eine Variation dieses Motivs findet sich auch im vierten und letzten Roman des „Odyssee“-Zyklus.

Arthur C. Clarke, Visionär, 1917–2008 Foto: SSPL/getty images

Clarkes Haltung zu Science-Fiction war eindeutig: Sie habe nichts mit Prophetie zu tun, sondern leite ab, extrapoliere: „Sie fragt: ‚Was wäre, wenn?‘ – nicht: ‚Was wird sein?‘“ Den meisten technologischen Errungenschaften seien Menschen vorausgegangen, die dar­über geschrieben und sie sich ausgemalt hätten: „Ich bin stolz darauf, mehrere Astronauten zu kennen, die Astronauten geworden sind, nachdem sie meine Bücher gelesen haben.“

Auch für „Star Trek“-Erfinder Gene Roddenberry waren Clarkes Texte Grundlagen seiner Arbeit. Das ein oder andere Gadget an Bord der „Enterprise“ sind von Clarke inspiriert, und die Texte ermutigten ihn zum Weitermachen, als sich kaum einer eine Fernsehserie vorstellen konnte, die im Weltraum spielte und nicht ins Kinderprogramm passte.

Clarke selbst hat immer wieder „extrapoliert“ – und nicht immer richtig gelegen. Häufig war er zu optimistisch in der Frage, wie bald dieses erfunden oder jenes entdeckt werden könnte. Sein Essay-Band „Profiles of the Future“, zuerst 1962 erschienen, enthielt einen Ausblick auf erwartete technologische Entwicklungen, die er in den Neuauflagen dann korrigierte; die letzte erschien im Jahr 1999, da war zwar die von ihm beschriebene „globale Bibliothek“, also das Internet, schon Realität, aber immer noch kein Wasser auf dem Mars entdeckt worden.

Damit sich die Zivilisation weiterentwickeln kann, hat Clarke drei „Gesetze“ für den Fortschritt formuliert:

1.: „Wenn ein angesehener, aber älterer Wissenschaftler behauptet, dass etwas möglich ist, hat er mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit recht. Wenn er behauptet, dass etwas unmöglich ist, hat er höchstwahrscheinlich unrecht.“

2.: „Der einzige Weg, die Grenzen des Möglichen zu finden, ist, ein klein wenig über diese hinaus in das Unmögliche vorzustoßen.“

3.: „Jede hinreichend fortschrittliche Technologie ist von Magie nicht zu unterscheiden.“

Nicht mehr in diesen Rang gelangte ein anderes Bonmot, das er im Zusammenhang mit den Weltraumfahrstühlen äußerte: In seinem letzten Interview im Jahr 2008, kurz vor seinem Tod, antwortete er auf die Frage, wann er mit der Realisierung solcher Pläne rechne: „Etwa zehn Jahre nachdem alle aufgehört haben zu lachen.“

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