: „Als 13-Jähriger in Auschwitz“
HOLOCAUST Zum 9. November kommt Thomas Gewe nach Bremen, der als Kind Auschwitz überlebte
■ ist Autor, Regisseur, Kameramann und Produzent. Er lebt seit 1998 in Bremen.
taz: Herr Rösing, Sie haben einen steinalten Gast …
Wilhelm Rösing: Er ist nicht steinalt, er ist 83 Jahre alt und lebt in Israel. Er ist einer der letzten mobilen Zeitzeugen der Konzentrationslager.
Woher kennen Sie ihn?
Ich hatte 1995 von ihm gehört, als ich einen Film über Buchenwald machte. Er kam damals nach Buchenwald, um seine Zeichnungen dort vorzustellen.
Zeichnungen?
Er war 15 Jahre, als das Lager befreit wurde. Er war so schwach, dass er nicht laufen konnte. Er konnte die neue Freiheit nicht nutzen, um zum Tor hinauszugehen. Mehrere Wochen lang ist er in der Baracke geblieben und hat für seinen Vater, der kurz vor Kriegsbeginn 1939 nach England flüchten konnte, kleine Bleistift-Zeichnungen gemacht, damit sein Vater sich vorstellen konnte, was er erlebt hatte. 80 kleine Szenen aus dem KZ.
Wie konnte er überleben?
Er war als 13-Jähriger von Berlin nach Auschwitz deportiert worden. Normalerweise sind Jugendliche sofort ins Gas geschickt worden, er war sehr kräftig und durfte eine Maurerschule für Jugendliche besuchen.
Wo sieht man seine Bilder?
Sie werden im Haus der Bürgerschaft gezeigt. Diese postkartengroßen Kinderzeichnungen waren auch die Vorlage für seine autobiografischen Aufzeichnungen, die der Donat-Verlag gerade unter dem Titel „Geraubte Kindheit“ neu herausbringt.
Sie haben einen Film über ihn gedreht?
Ja. Mir war gesagt worden, dass er überhaupt nichts erzählen kann. Ich habe dann vorgeschlagen, dass er einem 13-jährigen Jungen seine Geschichte erzählt, also einem, der so alt war wie er bei der Deportation nach Auschwitz.
Hat er sich mit dem Vater auseinandergesetzt?
Das hat ihn der Junge in dem Film auch gefragt. Er konnte aber 1995 überhaupt nicht auf diese Frage antworten. Wir haben 200 Filmvorführungen in Schulen gemacht mit anschließender Diskussion. Da wird er das häufig gefragt, inzwischen kann er darüber reden. Interview: KAWE
Fr, 12 Uhr, Gedenkveranstaltung mit Thomas Gewe, Am Mahnmal in der Dechanatstraße Mo, 12. 11. ,19 Uhr, Buch- und Filmvorführung, Stadtbibliothek
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