heute in Bremen: „Wir wollen Utopie leben“
Treffen Wie Basisdemokratie gelingen kann, diskutiert die Linksjugend in Gröpelingen
20, ist aktiv in der Linksjugend, die im Juli außerdem noch erklärt, warum Kapitalismus scheiße ist.
taz: Frau Fischer, ist Selbstorganisation nicht ein neoliberales Projekt?
Anna Fischer: Nein, wir wollen uns nicht selbst ausbeuten und persönlich organisieren. Es geht uns darum, uns als Gruppe zu organisieren und zwar nicht hierarchisch. Selbstorganisation ist für uns die demokratischste Form der politischen Praxis.
Wie funktioniert das?
Es ist wichtig, als Gruppe den Anspruch der basisdemokratischen Selbstorganisation und unsere politische Praxis immer wieder zu reflektieren. Dabei probieren wir unsere Strukturen so zu gestalten, dass zum Beispiel Wissenshierarchien abgebaut und alle so gut wie möglich eingebunden werden. Niemand muss Politikwissenschaften studiert oder Karl Marx gelesen haben, wenn er oder sie bei uns mitmachen möchte. Auch wenn es nie möglich ist, Hierarchien komplett zu vermeiden, sollte es trotzdem unser Anspruch sein.
Warum sollte man sich organisieren – und wogegen?
Jeden Tag erleben wir eine Gesellschaft voller Ausbeutung und Ausgrenzung, Rassismus, Sexismus, Homophobie oder anderer Diskriminierung. Eine Gesellschaft basierend auf Solidarität und kollektiver Selbstorganisation ist daher die Utopie, die wir setzen gegen autoritäre, festgefahrene Gesetze, Regeln und Konventionen, die uns sagen, wie und wofür wir zu leben haben.
Hat die Partei als Ort der politischen Willensbildung ausgedient?
Das kommt darauf an, in welchem Rahmen man aktiv ist. Basisdemokratische Selbstorganisation basiert darauf, als Gruppe gemeinsam zu überlegen, was wir erreichen wollen und wie wir es umsetzen. In einer Millionengesellschaft ist Selbstorganisation anders als in einer kleinen Gruppe. Unterschiedliche Ebenen übernehmen in Parteien unterschiedliche Aufgaben und können daher nicht wie Gruppen organisiert sein. Trotzdem sind basisdemokratische Ansprüche für Parteien unverzichtbar.
Wenn alle Menschen sich selbst organisieren, braucht es dann noch einen Staat?
Wenn wir den Staat als gesetzgebende, autoritäre Gewalt verstehen, muss ein staatsfreies Zusammenleben die Utopie sein, in der wir leben wollen. Denn ein staatlich festgelegter Rahmen widerspricht unseren politischen Idealen, aber auch der basisdemokratischen Selbstorganisation.
Ihr wollt euch den Jugendlichen aus Gröpelingen vorstellen. Spricht dieses Thema Menschen von dort besonders an?
Gerade Personen, die von der Politik häufig vergessen werden, müssen ihre politische Mitbestimmung auf anderen Wegen erarbeiten. Das Thema ist aber für Menschen aus allen Stadtteilen relevant, wir sind daher offen für alle.
Interview: Lukas Thöle
18.30 Uhr, Gröpelinger Heerstr. 120
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen