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Musik: Benjamin Moldenhauer über das Konzert von Loudon Wainwright III im Kulturzentrum Schlachthof„Things will get better, it won’t stay this sad“

Der Sänger: Traurig, lässt sich aber nichts anmerken Foto: Asgard Hugh Brown

Das ausufernde musikalische Universum, das Loudon Wainwright III bislang geschaffen hat, ist ein Fundus an Witz und Lebensweisheit. In diesem Jahr spielt Wainwright III nur ein Deutschland-Konzert, in Bremen, erstaunlich genug. Ein Anlass, an acht denkwürdige Songs zu erinnern:

1) 1970 erscheint Loudon Wainwrights spartanisch in­strumentiertes selbst betiteltes Debüt. Der erste Song „School Days“ ist eine Abrechnung mit der St. Andrews School in Mid­dletown, Delaware, die Wainwright III für vier Jahre besuchte. In St. Andrews wurde „Der Club der toten Dichter“ gefilmt, und so in etwa muss man sich den Laden wohl auch vorstellen. Der Song gibt die Richtung vor, Wainwrights beginnt seine Karriere mit juvenilem Größenwahn: „You wicked wise men where you wonder / You Pharisees one day will pay / See my lightning, hear my thunder / I am truth / I know the way.“ Jung sein, das Alte verachten und keine Ahnung haben, was auf einen zukommen wird: wichtige Voraussetzungen für Pop-Karrieren, hier von Anfang an leise ironisch formuliert.

2) An den Vergleichen mit Bob Dylan kommen in den Siebzigern nur wenige Singer-Songwriter vorbei. Loudon Wainwright III kontert etwaige Unterstellungen in dieser Richtung mit einer stilsicheren Dylan-Persiflage, „Talking New Bob Dylan“, und besingt das eigene Schicksal im Schatten des Riesen: „I got a deal and so did John Prine / Steve Forbert and Springsteen, all in a line / They were lookin‘ for you, signin’up others / We were new Bob Dylans, your dumb ass kid brothers.“ Der Song ist nicht zuletzt eine Hommage. Die näselnde Stimme, die seltsamen Betonungen, alles da. Wainwrights Humor geht eine direkte Verbindung ein mit einem stoischen Blick auf alles, was das Leben mühsam und, wenn es arg kommt, schwer erträglich werden lässt.

3) In den fast 50 Jahren seiner Karriere spielte Wainwright bislang 26 Platten ein, trat in diversen Filmen, Fernsehserien und als Dauermusiker in einer britischen Comedy-Show auf und setzte drei Kinder in die Welt. Inzwischen ziehen die auch als Singer-Songwriter umher. Hier weiß jemand um die Unglückspotenziale des Familienhaften und schreibt mit „Your Mother and I“ einen sehr genauen Text über eine Scheidung, zu finden auf dem 1986 erschienenen Album „More Love Songs“: „Things will get better, it won’t stay this sad / And I hope when you grow up, one day you’ll see / Your parents are people, that’s all we can be.“

4) Über die eigenen Kinder zu singen, gelingt den meisten nicht sonderlich gut, meist ist gefühliger Murks das Resultat. Wainwright umschifft mit „Daughter“ etwaige Peinlichkeiten, indem er, wie so oft, alles so einfach und klar wie möglich hält: „That’s my daughter in the water / Everytime she fell I caught her / Everytime she fell / That‘s my daughter in the water / I lost everytime I fought her / I lost every time.“ Zuvor schrieb er allerdings noch das einer seiner Töchter gewidmete Stück „I’d rather be alone“, ein ziemlich schreckliches Dokument der Midlife Crisis. Ehrlich währt am längsten. Loudons Tochter Martha hat sich 2005 mit dem Song „Bloody Mother Fucking Asshole“ revanchiert. Die Verwerfungen innerhalb des Wainwright-Clans wären einen eigenen Artikel wert.

5) Für den Soundtrack der HBO-Serie „Boardwalk Empire“ spielt Loudon Wainwright das eigentlich totgenudelte irische Volkslied „Carrickfergus“ ein und ringt dem Stück tatsächlich ein immense Schönheit ab. Er schafft es, das Alte wieder lebendig klingen zu lassen, statt es oberflächlich zu modernisieren.

6) Eine Hommage an Los Angeles, zu finden auf dem Soundtrack zu Judd Apatows Film „Knocked Up“: „Grey in L.A.“ ist von spürbarer Hassliebe beseelt. „And I sure love the sound of the rain pouring down / On my carport roof made out of tin / If there‘s a flood, then there‘s gonna be mudslides / We all have to pay for our sin.“ Das ganze untermalt ein beschwingt leierndes Akkordeon.

„We were new Bob Dylans, your dumb ass kid brothers“

Loudon Wainwright III

7) Wieder was Lustiges: „I’m fine“ – ist das lyrische Ich in diesem Fall zwar nicht, aber das zunehmend verzweifelte Insistieren darauf, wie sagenhaft das eigene Leben sich gerade wieder gestaltet, ist, zumal es offenbar eine jüngst vergangene Liebe adressiert, in seiner autosuggestiven Verlogenheit sehr komisch. Wainwright III ist auf der Bühne immer mehrere Figuren zugleich, ohne dass die eine die andere negieren würde: ein Schauspieler, ein Comedian – und ein Folk-Sänger, der seine Lieder schlicht und einfach eins zu eins baut und aus der Musikgeschichte, also aus dem Vollen schöpfen kann.

8) Und Schluss: „The Days that We Die“. Ein Stück, das Loudon Wainwright III tatsächlich mit seinem Sohn Rufus Wainwright einsingt, für das 2012 erschienene Album „Older Than My Old Man Now“. Vater und Sohn im Dialog: „You‘ll never change / neither will I / We’ll stay the same / till the days that we die / I’ll never win, neither will you / So what in this world are we gonna do?“ Die Klarheit, die sich in diesen Zeilen ausdrückt, verbreitet eher Gelassenheit als Depressivität. Derartiges zu singen, ohne dass es den Hörer niederdrückt und ihn stattdessen beschwingt, das muss man erst einmal schaffen.

Mittwoch, 26. 7., 20 Uhr, Kulturzentrum Schlachthof

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