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Schlichtungsstelle für UrlaubsärgerMehr Reisende fordern Entschädigung

Die Beschwerden bei der Schlichtungsstelle SÖP nehmen zu. Oft lohnt sich die Mühe. Die Bearbeitung ist kostenlos, die Erfolgsquote hoch.

Wenn nicht nur der Sonnenuntergang, sondern auch die Unterkunft dramatisch ist – auf zur Schlichtungsstelle Foto: imago/Science Photo

Ein paar Klicks – und schon ist der nächste Urlaub gesichert! Das Internet und Onlineangebote machen Reisebuchungen so einfach wie nie zuvor. Doch oft läuft später nicht alles wie erhofft und versprochen. Der Flug wird verschoben, die Bahn hat große Verspätung, der Fernbus steckt stundenlang im Stau, auf der Kreuzfahrt geht der Koffer verloren – das kann jede Menge Ärger bereiten. Besonders wenn sich die Verkehrsunternehmen stur stellen und Entschädigungen verweigern.

Solche Streitfälle landen jeden Tag zuhauf in der Fasanenstraße 81 in Berlin. Dort sitzt die Schlichtungsstelle für den öffentlichen Personenverkehr (SÖP), die kostenlos, unabhängig und neutral versucht, Konflikte ohne teure und zeitraubende Gerichtsverfahren beizulegen. Geschäftsführer Heinz Klewe und seine Volljuristen haben sehr viel zu tun: Auch im ersten Halbjahr 2017 stieg die Zahl der Anträge weiter stark um 27 Prozent auf knapp 6.900.

Viele Airlines verweigerten lange Zeit die Teilnahme bei der Schlichtungsstelle. Mit dem Verbraucherstreitbeilegungsgesetz (VSBG) wurde die Möglichkeit zu einer außergerichtlichen Schlichtung in vielen Branchen aber zur Pflicht. Die SÖP ist als Schlichtungsstelle von der Bundesregierung anerkannt. Mittlerweile beteiligen sich 46 Airlines, darunter alle deutschen Unternehmen und Billigflieger wie Ryanair, Easyjet und Wizz Air.

Kein Erfolgshonorar

Die SÖP verlangt weder Bearbeitungsgebühren noch Erfolgshonorare. Die Arbeit der Schlichtungsstelle wird über Mitgliedsbeiträge von den mittlerweile 350 Verkehrsunternehmen finanziert, die mitmachen. Die Unternehmen akzeptieren damit, dass viele Streitfälle durch die unabhängigen Schlichter entschieden werden.

Auch private Unternehmen wie EU-Claim, Fairplane oder Flightright bieten verärgerten Reisenden an, erfolgversprechende Fälle durchzufechten. Dafür werden dann aber bis zu 30 Prozent Erfolgshonorar fällig, teils noch mehr. Falls es kein Geld gibt, muss der Kunde – anders als beim Anwalt – aber auch nichts zahlen.

Wann wird entschädigt?

Das Reiserecht und besonders die Entschädigungsregeln sind eine recht komplizierte Materie. Generell gilt für die meisten Reisen: Bei längeren Verspätungen, Kofferverlust, Falschinformationen und schlechtem Service können unter bestimmten Bedingungen Ersatzansprüche geltend gemacht werden, die erst nach drei Jahren verjähren.

Bei Airlines regelt die EU-Verordnung 261/2004 bereits seit mehr als einem Jahrzehnt, dass Passagiere einen Ersatzflug oder Erstattung des Ticketpreises verlangen können, wenn Flüge gestrichen wurden oder überbucht sind. Zudem gibt es in solchen Fällen als Ausgleich 250 Euro (Flüge bis 1.500 Kilometer), 400 Euro (bis 3.500 Kilometer) oder sogar 600 Euro (Langstrecken). Bei Flugplanstörungen infolge Naturkatas­tro­phen, schlechten Wetters und Streiks müssen Airlines nicht zahlen, wenn sich solche Ursachen nachweisen lassen.

Was gilt bei Zugreisen?

Bei längerer Verspätung von Zügen gibt es einen Teil des Fahrpreises zurück, unabhängig von der Ursache. In allen EU-Ländern müssen Bahnen bei Verspätungen von 60 bis 119 Minuten ein Viertel des Fahrpreises zurückzahlen, ab 120 Minuten mindestens die Hälfte. Im Gegensatz zu Airlines können sich Bahnen seit einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs nicht mehr auf höhere Gewalt berufen. Fahrgästen muss der Preis auch dann teilerstattet werden, wenn sich der Zug wegen schlechten Wetters, Naturkatas­trophen oder Streiks verspätet.

Die Anlaufstelle: Die SÖP ist per Post (Fasanenstr. 81, 10623 Berlin), per Telefon (0 30 6 44 99 33-0), per Mail (kontakt@soep-online.de) oder im Internet (www.soep-online.de) zu erreichen. Auch im öffentlichen Nahverkehr (Bus, Tram, U-Bahn) ist die SÖP in bereits 13 Bundesländern Anlaufstelle.

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