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Familie Noiserock

INDIE-LABEL Liebevolle Offenheit, konsequentes Fantum, unbeirrtes Musikmachen und Do-it-yourself-Ideologie: Mit einer großen Gala feiert das Hamburger Label Fidel Bastro heute Abend seinen zwanzigsten Geburtstag

Mit einem auf Gewinn abzielenden Einmaleins hat all dies nur bedingt zu tun

VON NILS SCHUHMACHER

Ein Familienunternehmen feiert Geburtstag. Gewissermaßen am Tresen, in einer Rauchwolke, selbstverständlich unter Alkoholeinfluss wurde vor zwanzig Jahren das Hamburger Label Fidel Bastro gegründet. Das Anliegen der Beteiligten, heißt es, habe darin bestanden, die LP der von ihnen verehrten US-amerikanischen Noise-Band Bastro in Deutschland zu veröffentlichen. Die allerdings löste sich vorher auf, zum ersten Release des Labels wurde kurzerhand die Platte der Nachfolgeband Gastr del Sol.

Als Ergebnis einer typischen Eigendynamik, die entsteht, wenn konsequentes Fantum, unbeirrtes Musikmachen und Do-it-yourself-Ideologie aufeinandertreffen, muss man sich wohl vorstellen, was in Form von über 70 Veröffentlichungen folgte: ein stilistisch bunter Reigen, zusammengehalten von der Idee, sich nicht irritieren zu lassen von all den Verlockungen, Musik und Geschäft gewinnbringend zu verbinden. Sicher: Fidel Bastro ist auch und vor allem ein Label für Zeitgenossen, die es mögen, wenn Gitarren wehtun. Noiserock oder -pop-Bands, die einem eher überschaubaren Kreis von Fachkräften ihre Musik (meist in Kleinstauflagen) zur Verfügung stellen, finden in dem – bald auf das Brüderpaar Franco und Bernd Kroschewski zusammengedampften – Label treue Verbündete.

Gleichzeitig war dessen Veröffentlichungspolitik von Beginn an von einer geradezu liebevollen Offenheit für – oft lokale – Bands geprägt, die recht wenig mit dem doch auch sehr männlich dominierten Noise-Genre zu tun haben. So sind auf Fidel Bastro sowohl die ersten LPs von Superpunk, Sport und kürzlich The Less Appeal erschienen, als auch Platten von vergleichsweise aufgeräumten und stillen Postrock-Bands wie Nice New Outfit oder Tschilp. Und nicht zuletzt: Das Label ist als Heimat der unzähligen eigenen Bands von Hrubesch Youth über Boy Division bis zu Potato Fritz ganz schlicht auch eine unverzichtbare Selbsthilfestruktur.

Mit einem auf Gewinn abzielenden ökonomischen Einmaleins hat all dies nur sehr bedingt zu tun. Vermutlich ist sogar das genaue Gegenteil der Fall. Warum man trotzdem immer weitermacht, dürfte mit der speziellen Prägung der Beteiligten – „Heft“, „Klausner“, „Heinz Kärrners Tanzcafé“ – durch die Hamburger Trash-und-Tresen-Welt zu tun haben, in der sich alles Dissonante zwischen Punk, Hardcore und anderem Gitarrenlärm am Beginn der 1990er-Jahre ein paar Takte lang innig umarmte.

Mag sein, dass nicht viel mehr davon übrig geblieben ist als eine lose Ansammlung von Peer Groups, deren Koordinatensystem noch von der Unterscheidung zwischen Mainstream und Abseitigem lebt und in denen man Musik nicht in den Kategorien von Start-up-Unternehmen betreibt. Wenn diese Peer-Group es aber so macht wie das Geburtstagskind, dann kommen auf uns noch fröhliche Jahre zu.

Abschlussgala der bereits im September eingeläuteten Festspielwochen mit: Venus Vegas, Happy Grindcore, Potato Fritz, Lars Bang Larsen, Top Old Boys aka Superpunk und diversen weiteren Gästen: Sa, 10. 11., 21 Uhr, Kampnagel, Jarrestraße 20

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