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Mode ist immer under construction

FASHION WEEK Präsentation der Sommerkollektion 2018: Designer wie Marina Hörmanseder, Antonia Goy und William Fan luden zur Baustelle des Humboldt Forums und an eine Bushaltestelle in Friedrichsfelde-Ost

Hat was von einer Motorhaube, Kreation von Marina Hörmanseder Foto: Marina Razumovskaya

von Marina Razumovskaya

Schnell tickt die Modewelt. Vor fünf Monaten noch fühlte sich die Mercedes-Benz Fashion Week etwas fremd an der neuen Location, dem Kaufhaus Jandorf, Ecke Brunnenstraße, ehemals Institut für Bekleidungskultur der DDR (in den 1920ern Hermann Tietz alias Her-Tie, 1933 enteignet und arisiert). Jetzt sind die meisten DesignerInnen sehr gerne hier. Aber schon auf der nächsten Fashion Week wird der namensgebende Sponsor nur noch Autos liefern: Stuttgart steigt aus.

Dabei reagieren die Klügsten längst schon aufs neue Berlin: den neuen Zyklus der Bauwut im Null-Zins-Zeitalter. Marina Hörmanseder zeigte ihre Sommerkollektion für 2018 auf der Baustelle des Humboldt Forums zwischen Gerüsten auf nacktem Beton. Apokalyptische Regengüsse bescherten am Freitag seenartige Pfützen. Mode ist immer under construction, durchlässig für alle Entwicklungen von außen. Bekannt ist die in Berlin lebende Modedesignerin aus Wien für ihre Lederkorsagen und hochkomplizierten skulpturalen Oberteile; Ledergürtel und Schnallen sind ihr Markenzeichen.

In die russischen Neunziger

Diesmal taucht Hörmannseder in die russischen 1990er Jahre ein: ja soschla s uma, bin verrückt geworden, dürfen die beiden Schülerinnen der russischen Girlband Tatu auf Hörmannseders Show wieder singen, begleitet vom außerirdisch hohen Schreien des außerirdisch kostümierten Vitas. Wenn dann eine Frau in knappstem Badeanzug und schwerem, gelbem Ölzeug drüber durch Pfützen stakelt, ist das Klischee vom geschmacklosen Neuen Russen nicht weit (Lady Godiva nackt mit Cape auf einem Pferd und nachts). Aber das Kopftuch, unterm Kinn gebunden, bei Hörmannseder als Kapuze an die Jacke genäht, hat schon Matrjoschkas Köpfchen behütet.

Subtil machen sich in vielen Kollektionen Perspektiven auf Nachhaltigkeit bemerkbar. Für die Berliner Designerin Antonia Goy heißt nachhaltig nicht nur Naturstoff. Auch Polyester, das strapazierfähig ist und ewig hält, kann nachhaltig wirken. Kombiniert mit Baumwolle in europäischen Farbkontrasten und breiten Streifen kreiert Goy daraus außereuropäische Schnitte: Kaftane und kimonoartige Hybride aus Schichten und Überlappungen. Darüber werden – Nachaltigkeit Nummer zwei – einfach andere Stücke angezogen, unterschiedliche Teile verschiedener Größen, in diversen Mustern, Streifen mit Blumen, alles weit geschnitten: freie Mode, rekombinierbar von Wedding bis Grunewald. (An den Socken ist in kleiner schwarzer Schrift gestickt: „born free“.)

Wo Goy das Einzelstück frei kombiniert, agiert Wladimir Karaleev als bekannter Meister des nachhaltigen Fetzens. Karaleevs unverwechselbare Handschrift: ohne Konzept, drapierend, intuitiv, stückweise, offen für ex prompts und schnelle Umsetzung von abstrakten Ideen; seine analytische Mode ohne Logik fand diesmal auch in einer ungewöhnlichen Präsentation ihr Echo: ohne Choreografie laufen Models überkreuz, nach eigener Intuition aus dem Augenblick heraus, ein wenig wie bei Sasha Walz oder Pina Bausch.

Karaleev drapiert und kollagiert aus unzähligen Einzelstücken, Michael Sonntag oft aus einem einzigen zusammenhängenden Stück Stoff. Es ist aus zarter rosa Seide oder transparent, und Sonntag zaubert nur durch Wicklung, Faltung und ein paar Stiche eine weibliche Hülle, zusammengehalten an einer einzigen Stelle. Männer dagegen treten ungeschützt auf: viel nackte Haut, zorrohafte weite Oberteile auf den Schultern, enge Hosen mit Sonntags Markenzeichen des Sommers 2018 – das straßenbekannt aufgeschlitzte Hosenbein, das gerissene Stück hängt dekorativ ornamental heraus. Nichts ist der Mode unheilig genug, um es nicht auf allen stilistischen Ebenen des hohen Stils zu heiligen.

Nichts ist der Mode unheilig, um es nicht auf allen Stilebenen zu heiligen

Heldin Streetwear

In gleicher Richtung denkt der unglaublich wandlungsfähige Berliner William Fan aus Hongkong. 2016 entführte er noch in ein brodelndes chinesisches Geschäftsviertel, diesmal setzt er uns an einer Bushaltestelle in Friedrichsfelde-Ost ab. Die Heldin dieser Fashion Week namens Streetwear macht in Fans Kollektion merkwürdige Verwandlungen durch. Weit offene Hemden über nackten Waschbrettbäuchen sind plötzlich aus silbernem, leicht himmelblauem Brokat, am Kragen sitzen Straußenfedern; oder ein Trenchcoat mit Paillettenstoff. Aus Banlieue-Kids werden Häuptlinge! Immer tragen sie Fans Markenzeichen: das in tief in die Stirn schlabbernde Stoffhütchen (russisch panamka), das auch Fan selbst immer trägt.

Dem gegenüber hat Jennifer Brachmann, diese Könnerin des Konstruktiven, Geradlinigen, zum ersten Mal eine Frauenkollektion entworfen. In ihren monochromen Lieblingstönen, blau-grau-schwarz-weiß, entwirft sie Neues. Simple Details ändern ein klassisches Stück Herrenmode: eine weit geschnittene Hose mit einer Falte, die von der Seite kommend von hinten nach vorne geht. Die Falte wird ihr zum Medium der Feminisierung. Was an Männern Uniform ist, verwandelt sich an Frauen: Eine Frau im Trenchcoat, in Kniestrümpfen, weißen Schuhen mit hohen Absätzen, ist nur schwer als Geheimagent zu nehmen. Taschen, Kragen, Schulterstücke geschlossener Uniformen werden bei Brachmann auf eine Weise umgedeutet, dass sie die Trägerin beschützen, statt Parade und Aggression zu signalisieren.

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