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Leuchten der Menschheitvon Barbara BollwahnTrauma, Verweigerung, Pragmatismus

Während für die einen die DDR und der Mauerfall Ewigkeiten zurückzuliegen scheinen, ist dieses Thema für andere nach wie vor aktuell. Es geht um die Generation, die zwischen 1967 und 1973 in der DDR geboren und aufgewachsen und im wiedervereinigten Deutschland erwachsen geworden ist. Wie haben sie die Jahre in der DDR und des Zusammenbruchs geprägt? Inwieweit hat sich nach 1990 eine eigene Identität herausgebildet? Diesen Fragen geht das Buch „Glückskinder der Einheit?“ nach, indem es die Lebenswege der um 1970 Geborenen abbildet.

Der Autor Volker Benkert, 1971 in Frankfurt/Main geboren, beschäftigt sich unter anderem mit den Auswirkungen von Regimewechseln auf Biografien und bei dem Buch handelt es sich um seine Dissertation. Anhand von narrativen Interviews, die durch Karikaturen ergänzt werden, will er die politische Sozialisation dieser Generation zeigen.

„Da diese Wandlungen und Brüche in den Scharnierjahren zwischen Jugend und Erwachsenenalter passierten, verkörpert diese Gruppe mehr als andere den historischen Brückenschlag zwischen den Systemen“, schreibt er. Literarisch haben Vertreter dieser Generation diese Zeit verarbeitet, so wie die Autorin Jana Simon, die von „gut ausgebildeten Zwittern“ und „Glückskindern der Einheit“ schrieb – ohne Fragezeichen.

Der Autor der „Glückskinder“ mit Fragezeichen im Titel kommt zu der Feststellung, dass es sich trotz Konformitätszwang in der DDR nicht um eine einheitliche Generation handelt, sondern um „ein breites Spektrum von Sozialisationsmustern“, die er in sieben Typen unterteilt. Die Typisierung reicht von Angehörigen der zukünftigen DDR-Eliten im Sport oder Staatsapparat, die unter einem „DDR-Trauma“ leiden, über Männer und Frauen mit einer Verweigerungshaltung zu Ostzeiten, die sich im Westen selbst verwirklicht haben, bis hin zu Pragmatikern, die sich hinter einer „Fassade der Konformität“ versteckten und das Ende der DDR kaum als einschneidendes Erlebnis wahrnahmen. Diese ostdeutschen Wendekinder, so der Autor, seien „geradezu prädestiniert, als Botschafter und Botschafterinnen zwischen Ost und West“ zu fungieren.

Barbara Bollwahn ist Autorin und lebt in Berlin

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